Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

890 Grehjbritaunien. (Dezember 24. —28.) 
bezeichneten die Minister als Verräter, wenn die Dinge nicht gut gingen. 
Das schädige die Moral der Nation. Er weise die Angriffe auf Grey zurück. 
Lynch (Nationalist) erwidert auf Cecils Rede: Die Minister waren bisher 
nicht Organisatoren des Sieges, sondern der Niederlage. Der Fall Serbiens 
hat den Ruf des Auswärtigen Amtes auf Jahre verdorben. Man braucht 
nur die neutralen Länder zu nennen, mit denen Grey zu tun hat, um seine 
Fehlschläge zu ermessen. 
A. Dez. Amtlich wird mitgeteilt, daß die Verluste der 
Briten auf allen Kriegsschauplätzen bis zum 9. Dezember betrugen: 
an Mannschaften 119 923 tot, 338758 verwundet, 69546 vermißt, 
an Offizieren 7367 tot, 13365 verwundet, 2149 vermißt. 
24. Dez. (Glasgow.) Lloyd George spricht vor dreitausend 
Vertretern von Gewerkschaften über die Notwendigkeit einer be- 
schleunigten Herstellung von Munition. 
Lloyd George sagt, er komme namens der Regierung mit der Bitte, 
daß die Arbeiter für ausreichende Herstellung schwerer Geschütze und Muni- 
tion sorgen möchten. „Dazu brauche ich Ihre Hilfe.“ Anderenfalls wird 
es nur zwei Möglichkeiten geben: „Entweder wird man den Soldaten sagen 
müssen, es sei unmöglich, ihnen die schweren Geschütze zu liefern und damit 
1916 den Krieg zu gewinnen, oder man wird dem Kaiser offenherzig sagen 
müssen: Wir können nicht durchhalten. Hört auf! Der Kaiser kann uns 
dann vielleicht mit der Annexion Belgiens, der Bezahlung einer Kriegs- 
entschädigung und der Abtretung von ein oder zwei Kolonien laufen lassen. 
Er wird aber sicher auch verlangen, daß die britische Seeherrschaft auf- 
höre. Dann wäre Großbritannien dem preußischen Despotismus ebenso 
ausgeliefert wie Belgien.“ Der Minister erklärt, daß, um zu siegen, die 
Verwendung ungelernter Arbeiter neben gelernten unbedingt notwendig sei. 
Es wäre ihm ganz unmöglich, durch das Parlament dem britischen Heere 
mitzuteilen, daß die gelernten Arbeiter sich weigerten, die Gewerkschafts- 
regeln zu suspendieren, um das Leben ihrer Genossen auf dem Schlacht- 
felde zu retten. Er könne nicht glauben, daß der britische Arbeiter weniger 
patriotisch sei als der französische, dessen Aufopferung Frankreich ermögliche, 
der schrecklichen Maschine Widerstand zu leisten, die mit Hilfe der deutschen 
Arbeiter den großen Sieg über die Russen errungen habe. Wenn die Ar- 
beiter jetzt schnell Hilfe leisten würden, so würde dies das Gewicht ihrer 
Forderungen an das englische Volk erhöhen und die Abhilfe ihrer Be- 
schwerden nach dem Friedensschlusse beschleunigen. Zum Schlusse fragt der 
Minister, ob das Volk wohl begreife, daß dieser Krieg mit der Gewalt 
eines Naturausbruches gekommen sei. Es ist jetzt nicht die Zeit, über die 
Regeln der Gewerkvereine zu debattieren; mit einem Erdbeben könne man 
sich nicht auseinandersetzen. 
25. Dez. Der König erläßt an das Heer und die Flotte einen 
Tagesbefehl, in dem er seinen Dank und sein Vertrauen für 
die Zukunft ausspricht. 
Wiederum gehe, so schließt der König, ein Jahr zu Ende, wie es 
begonnen habe, unter Mühseligkeiten, Blutvergießen und Leiden. Aber es 
tue ihm wohl, zu wissen, daß das Ziel nach dem sie strebten, näher rücke. 
28. Dez. Das Kabinett einigt sich in der Rekrutierungs- 
politik auf Grund des Dienstzwangs:
	        
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