Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

896 Frantreich. (Februar 7.—13.) 
des Innern zuerst konfisziert und seine Verlesung von den Kanzeln 
verboten, dann aber mit einem Zusatz gestattet. 
In dem auf Intervention des Kardinal- Erzbischofs Amette von Paris 
dem Gebete beigefügten Zusatz ist der Friede, den die französischen Katholiken 
nach Auffassung ihrer Regierung erbitten dürfen, als ein Friede definier 
worden, der nach einem siegreichen Abschluß des Krieges ein Werk der Ge- 
rechtigkeit sein soll. 
7. Febr. Nach einer Meldung des „Echo de Paris“ aus Saigon 
(Cochinchina), wurde dort ein Beamter des deutschen Konsulats 
namens Kurth wegen antifranzösischer Propaganda erschossen. 
Zwei Mitangeklagte wurden zur Zwangsarbeit verurteilt. 
9. Febr. (Paris.) Nationalkonferenz der französischen Sozia- 
listen. 
Die Versammlung billigt die Haltung der sozialistischen Partei seit 
Kriegsbeginn. Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Frage, unter 
welchen Bedingungen die sozialistische Internationale für den Frieden ein- 
zutreten vermöge. Guesde erklärt eine Verhandlung mit der deutschen 
Sozialdemokratie für unmöglich, weil diese keinen Widerspruch gegen die 
Verletzung der belgischen Neutralität erhoben habe. Eine Auseinander- 
setzung mit dem deutschen Volke sei wünschenswert, aber sie habe die Ver- 
nichtung des preußischen Militarismus zur Voraussetzung. Sembat sagt, 
die sozialistische Partei habe durch die Kriegsereignisse an Einfluß und 
Macht gewonnen und bei der zukünftigen Ordnung der Dinge werde sie 
ein entscheidendes Wort mitzureden haben. Er empfiehlt, in London für 
folgende Grundsätze einzutreten: Friedensschluß ohne Gebietserwerbung, 
Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker, Einschränkung der 
Rüstungen unter internationaler Kontrolle, obligatorische Schiedsgerichte. 
Die Konferenz stimmt diesen Sätzen zu und beschließt, zum Londoner Sozia- 
listenkongreß vier Vertreter zu senden. (Siehe Großbritannien 14. Februar.) 
12. Febr. (Kammer.) Absynthverbotgesetz. 
Nach lebhafter Diskussion wird das Gesetz, betreffend das Verbot der 
Herstellung und des Verkaufes von Absynth in Frankreich und den fran- 
zösischen Kolonien, angenommen. 
13. Febr. Ministerrat unter Vorsitz des Präsidenten der Republik. 
Der Finanzminister Ribot legt einen Gesetzentwurf vor betreffend die 
Emission von Obligationen der Landesverteidigung. Die Obliga- 
tionen sollen bei einem Zinsfuß von 5%, zahlbar zu gleichen Hälften am 
16. Februar und am 16. August jährlich, zu 96,50 emittiert werden, unter 
Abzug des Zinses für das bei der Obligation noch nicht abgelaufene Halb- 
jahr. Sie sind rückzahlbar zu pari am 16. Februar 1925. Sie sind steuer- 
frei und werden entweder auf den Inhaber oder auf die Person ausgestellt, 
mit der Möglichkeit des Besitzwechsels durch Indossierung. Sie können ein- 
getauscht werden gegen Titel, der vor dem 1. Januar 1918 emittierten 
Staatsanleihe zum Emissionspreis von 96.50. 
13. Febr. Eine vom Finanzministerium veröffentlichte Statistik 
über die Ein= und Ausfuhr Frankreichs von August bis Ende 
November 1914 ergibt einen Rückgang des Außenhandels in 4 Mo- 
naten um 3523 Millionen Franken, wovon nur 1300 Millionen
	        
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