Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

rankreiq. (April 29. — Mai 4.) 905 
den freien Gedanken unserer Rasse und die Zukunft unserer Zivilisation. 
Die glänzende Armee, in der Ihr Platz nehmen werdet, weiß, daß sie für 
das Wohl Frankreichs und die Freiheit der Welt kämpft. Das klare Be- 
wußtsein dieser hohen Aufgabe hat ihr diesen so festen Glauben an diesen 
hohen Schutz verliehen. Meine Freunde! Vermehrt die Zahl der Helden 
und empfanget hier die lebhaften Glückwünsche der Regierung der Republik, 
zugleich die Eures höchstkommandierenden Generals und zugleich den Aus- 
druck einer dankbaren Bewunderung. 
29. April. Die Kammer nimmt ihre Sitzungen wieder auf. 
1. Mai. In der Kammer wird ein Gesetzentwurf eingebracht, 
wonach alle von öffentlichen Verwaltungsstellen während der Dauer 
des Krieges ausgeführten Abschlüsse über Lieferungen aller Art 
von einem Revisionsausschuß geprüft werden sollen. 
Der Ausschuß soll aus Senatoren, Deputierten, Verwaltungsbeamten, 
Delegierten wirtschaftlicher Verbände und Delegierten der Arbeitgeber- und 
Arbeiterorganisatoren zusammengesetzt werden. Auf jeden Abschluß soll eine 
Progressivsteuer erhoben werden, die nach Höhe des Abschlusses zwischen 
0,6 Prozent und 3 Prozent gestaffelt sein soll. 
1. Mai. Das Moratorium wird abermals um 60 Tage ver- 
längert. 
3. Mai. Finanzminister Ribot kehrt von einem dreitägigen 
Aufenthalt in London nach Paris zurück. 
Zweck der Reise war eine Besprechung mit Lloyd George u. a. über 
die den Verbündeten zu leistenden Vorschüsse und die Mittel für die Be- 
zahlung der französischen Einkäufe in England, den Vereinigten Staaten 
und Amerika. In einer Presseerklärung versichert Ribot, daß zwischen den 
Finanzministern der drei verbündeten Hauptmächte volle Einmütigkeit bestehe. 
Im ständigen Finanzausschuß der Kammer gesteht Ribot zu, daß Frank- 
reich bisher seinen Gläubigern wegen Geldmangels 700 Millionen Franken 
schuldig geblieben sei. 
4. Mai. Clémenceau richtet im „Homme Enchain“ heftige 
Angriffe gegen Poincaré und das Ministerinm Viviani. 
Er wirft ihnen vor, daß sie in autokratischem Gelüst beabsichtigen, 
sich der Kontrolle des Parlaments zu entziehen. Die dem Triumvirate 
Poincaré, Millerand und Viviani nahestehende Presse habe mit allen 
Mitteln die Kontrolle des Parlaments bekämpft, und die Zensur habe allen 
Angriffen gegen das Parlament freien Lauf gelassen, dagegen bestehe die 
Preßfreiheit für diejenigen nicht, die die Verfassung der Republik gegen 
die diktatorischen Bestrebungen einiger weniger verteidigen möchten. Jetzt 
beabsichtige man anscheinend wieder das Parlament auszuschalten. Man 
werde den Kammern angeblich demnächst vorschlagen, sich mit eignen 
Händen zu erdrosseln. Man werde sich bereit erklären, von dem Vor- 
rechte, die Parlamentssession geschlossen zu erklären, keinen Gebrauch zu 
machen, sondern die Kammern lediglich zu vertagen, falls diese sich ver- 
pilichten, keine Sitzungen abzuhalten. Dies würde bei der gegenwärtigen 
inneren und äußeren Krise nichts anderes bedeuten, als der schlimmsten 
Katastrophe entgegenzugehen. Die augenblickliche Regierung, die kaum ein 
inneres Gleichgewicht besitze, bedürfe um so mehr der Parlamentskontrolle, 
als die ganze Existenz Frankreichs auf dem Spiele stehe. Die vom Parla-
	        
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