908 rankreich. (Mai 21.—27.)
21. Mai. (Kammer.) Die für das Rechnungsjahr 1914 ge-
forderten Zuschlagskredite in Höhe von 467 801 020 Franken werden
bewilligt.
Die Kammer nimmt ferner die Vorlage betreffend Einfuhr von 12000
Tonnen Gefrierfleisch jährlich für fünf Jahre für die Beköstigung der
Truppen an und einen Gesetzantrag auf Eröffnung eines Kredits von
150 Millionen Franken für den Ankauf des für die Versorgung der Zivil-
bevölkerung nötigen Getreides.
25.27. Mai. Kundgebungen zum Eintritt Italiens in
den Krieg.
Präsident Poincaré, der auf einer Reise zu den Armeen in Loth-
ringen und in den Vogesen von dem Eintritt Italiens in den Krieg er-
fährt, richtet folgendes Telegramm an den König von Italien: Ganz Frank-
reich freut sich in dem Gedanken, daß die beiden Schwesternationen wieder
einmal für die Verteidigung ihrer Zivilisation und die Befreiung der unter-
drückten Völker kämpfen werden. Poincaré entbietet sodann seine innigsten
Wünsche für den Sieg der tapferen Truppen, mit denen gegen die Feinde
der Gerechtigkeit und Freiheit bis ans Ende zu kämpfen für die ver-
bündeten Armeen ein Stolz sein werde. Schließlich wünscht Poincaré
Italien eine glückliche Verwirklichung seiner nationalen Bestrebungen.
Der Kriegsminister richtet an die Generale Joffre und Gourand
folgendes Telegramm: Wir erhalten von unserem Botschafter in Rom eine
Depesche, daß Italien sich ab 24. Mai mit Oesterreich-Ungarn als im
Krieg befindlich betrachtet. Unsere Truppen werden die Nachricht von dem
Eingreifen ihrer lateinischen Schwester mit freudiger Begeisterung auf-
nehmen. Italien erhebt sich, um an unserer und unserer Verbündeten Seite
den Kampf für die Zivilisation gegen die Barbarei zu führen. Indem
wir unsern Waffenbrüdern von gestern und morgen einen herzlichen Will-
komm bieten, begrüßen wir in ihrer Intervention ein neues Pfand unseres
endgültigen Sieges.
In der Kammer hält Präsident Deschanel folgende Ansprache:
Wie vor 56 Jahren steht Italien zu uns. Alle Mächte des Lebens erheben
sich gegen die Macht des Todes. Alle in ihrer Unabhängigkeit, ihrer
Sicherheit und ihrer Zukunft bedrohten Völker erheben sich eins nach dem
anderen gegen jene brutale Herrschaft, die der Welt ihr Gesetz vorschreiben
will. Wie sollte Rom, die Mutter des Rechts, den Verächtern der Verträge
und der beschworenen Treue dienen können? Wie könnten die Erben der
venezianischen Größe dulden, daß die Adria ein germanischer See sei?
Rom, das nach Athen die Quelle alles Lichtes war, Rom, wo von Jahr-
hundert zu Jahrhundert immer wieder die Blume der Moral und der
Schönheit erblüht ist, konnte in diesen höchsten Stunden nicht auf der Seite
der List und der Gewalt stehen. Jetzt steht es auf seinem wahren Platz
und nimmt den ihm gebührenden Rang ein gemeinsam mit den Vater-
ländern des Rechts und der Ideale, mit den ewigen Stätten des Geistes!
Nach Deschanel ergreift Ministerpräsident BViviani das Wort:
Im Namen der Regierung der Republik grüße ich das italienische
Volk, das sich erhoben hat, um zu siegen. Von einem Ende der Halbinsel
bis zum anderen hat sich das Volk mit dem ihm von Natur aus inne-
wohnenden Enthusiasmus erhoben; nachdem es neun Monate lang un-
gebeugt dem Kriegsschauspiele zugesehen hatte, bricht sich plötzlich seine
Würde und seine Rechtschaffenheit Bahn. Es jubelt seinem König
Beifall zu, dem würdigen Erben eines großen Vorfahren, der mit Cavour