Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Ersfbritannien. (Jannar 7./10.) 721 
lichen und südöstlichen Kriegsschauplatz: In Mesopotamien setzte das 
indische Expeditionskorps den Vormarsch nach Norden fort, griff den Feind 
bei Korna an, besiegte die Türken und brachte ihnen schwere Verluste bei. 
Der vielbesprochene Vormarsch der Türken nach Aegypten hat bisher 
nicht stallgefunden. Kleine Abteilungen türkischer Truppen unter deutschen 
Offzieren wurden von englischen Flugzeugen auf dem Marsch durch das 
Land östlich des Suezkanals beobachtet. Es sind jedoch keine größeren Heeres- 
lörper erschienen, und es hat auch kein nennenswertles Gefecht mit den den 
Kanal bewachenden Truppen stattgefunden. In Ostafrika mißglückte der 
Angriff auf die deutsche Stellung bei Tanga. Wir beseßten jedoch gewisse 
Punkte auf deutschem Gebiet. Die topographischen Schwierigkeiten bilden 
vorläufig ein Hindernis für den weiteren Vormarsch. In Ramerun rückte 
ein gemischtes Korps unter General Dobell vor und besetzte einige wichtige 
Stellungen. Bei dem deutschen Angriff auf die englische Ostküste 
erwiderte die Küstenbatterie in Hartlepool das Feuer der deutschen RKriegs- 
schiffe, ohne gegen die überlegenen Geschütze der deutschen Kreuzer viel aus- 
richten zu können. Durch den mutwilligen Angriff auf die unverteidigten 
Budeorte wurde kein militärischer Vorteil erzielt. 
Die Rekrutierung verläuft normal. Der vorauszusehende Rückgang 
in der Weihnachtswoche wurde durch die nachherige Steigerung fast wett 
gemacht. Ueber 218000 Mann, die bereit sind zu dienen, haben sich in die 
ausgelegten Listen eingezeichnet. Während der ersten Abschnitte des Krieges 
gab der Mangel an Offizieren zu Besorgnissen Anlaß. Wir vermochten 
ledoch, die Offiziercadres des Erpeditionskorps zu ergänzen, und verfügen 
setzt über eine beträchtliche Anzahl Reserven. Seit Ausbruch des Krieges 
wurden 29 100 Offiziere in die Armee eingereiht. 
Lord Curzon wünscht, daß die Erklärung Lord Kitcheners doppelt 
so lang und doppelt so ausführlich gewesen wäre. Er sagt: Lord Kilchener 
war mit seinen Mitteilungen sehr sparsam, namentlich über die Vorgänge 
in Afrika und im Persischen Golfe hätte mehr gesagt werden können. Vor 
kurzem hörten wir, daß der deutsche Kreuzer „Königsberg“ in einer Fluß- 
mündung der ostafrikanischen Küste eingeschlossen sei. Seitdem haben wir 
nichts mehr über das Schicksal'des Schiffes und seiner Besatzung erfahren. 
Mir wissen nicht, ob die Operationen in Ostafrika und in Kamerun vom 
Kriegsamt oder vom Rolonialamt geleitet werden. Obwohl die Deutschen 
auf dem Kontinent ihr Rriegsziel nicht erreichten, sind sie doch im Besitze 
sast ganz Belgiens und eines großen Teiles von Frankreich. Es ist gegen- 
wärtig kein Anzeichen dafür vorhanden, daß ihre Mittel erschöpft sind. 
Die kolossalen deutschen Streitkräfte besitzen einen Mut, der dem der eng- 
lischen Soldaten gleichkommt. Dieser uns unerklärliche Mut wird durch 
den Haß gegen uns gestärkt, dessen wir mit unserem phlegmatischeren 
Temperamente unfähig sind. Der RKrieg dürfte durch Zahlen entschieden 
werden. Die Erklärungen Lord nitcheners über die Rekrutierung haben 
einigermaßen enttäuscht. Die Gesamtzahl der nötigen Soldaten dürfte weit 
über zwei Millionen ausmachen. Es fragt sich, ob es möglich sein wird, 
diese Zahl aufzutreiben. Die Nation, von der man diese Opfer verlangt, 
verdient genauere Auskünfte. 
Lord Crewe antwortet: Der ostafrikanische Feldzug wird vom 
Nriegsamt geführt. Die Anzahl der ausgebrachten Rekruten ist zufrieden- 
stellend. Wir haben soviel Leute, wie wir im Augenblick ausbilden können. 
Lord Portsmounth fragt, ob die Regierung beabsichtige, ein Gesetz 
zu erlassen, durch das Naturalisierten, die in feindlichen Ländern ge- 
boren seien und sich der englischen Nationalität unwürdig erwiesen hätten, 
die Zertifikate entzogen werden könnten. Der Lordkanzler antwortet, 
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