Krankreich. (Juni 6.—17.) 911
durch militärfreie Zivilpersonen, auch Frauen. Der Sozialist Lauche geht
sodann auf die Mißbräuche ein, die insbesondere in der für die Armee
lätigen Industrie vorgekommen seien und noch fortdauern. Es hätten sich
so viele Drückeberger gegen gutes Geld als Arbeiter und Angestellte in
Waffen= und Munitionsfabriken eingeschmuggelt, daß verschiedene Fabrik-
direktoren, um Platz zu schaffen, alte tüchtige Arbeitern entlassen hätten.
Der Republikaner Thierry schlägt vor, dem Kriegsminister die Ver-
hinderung der Drückebergerei zu überlassen. General Pedoya, Präsident
der Armeekommission, verlangt dagegen die Annahme des Antrags, den die
Kommission nach zweimonatiger eingehender Beratung einstimmig gut-
geheißen habe. Merlin (Rad.-Soz.) tritt für den Antrag ein, dessen An-
nahme die Vertagung der Einberufung der Klasse 1917 gestatten würde.
Reville (Rad.) bekämpft dagegen den Antrag und erklärt, man dürfe nicht
den Glauben erwecken, daß Frankreich an Soldaten Mangel leide. Dalbiez
erklärt, der Kriegsminister habe den Soldatenmangel zugegeben, als er die
Einberufung der Klasse 1917 für notwendig erklärte. Kriegsminister Mil-
lerand erklärt, diese Diskussion dürfe um keinen Preis den Eindruck hinter-
lassen, daß es Frankreich an Soldaten fehle.
6. Juni. Das Oberkommando über das französische Geschwader
an den Dardanellen wird dem Vizeadmiral Nicol übertragen,
dem der bisherige Befehlshaber, Konteradmiral Guepratte, zur Unter-
stützung beigegeben wird.
11. Juni. (Kammer.) Fortsetzung der Debatte über den
Gesetzentwurf Dalbiez.
Kriegsminister Millerand erklärt, daß der Gesetzentwurf das regel-
mäßige Funktionieren aller für die Landesverteidigung arbeitenden Betriebe
storen würde, da die Mehrzahl der Arbeiter nach Annahme des Gesetzent-
wurfes Dalbiez wieder mobilisiert werden müßte. Zu Anfang des Krieges
sei es notwendig geworden, die gesamte französische Industrie zur Her-
stellung von Munition heranzuziehen, eine ganz neue Organisation zu
schaffen und Arbeiterpersonal heranzubilden. Hierbei seien unvermeidliche
Irrtümer unterlaufen. Inzwischen habe die Regierung gemeinsam mit den
Fabrikanten Abhilfe zu schaffen versucht und ein besseres Arbeiten aller
Betriebe erreicht. Der Kriegsminister schlug vor, die Kontrolle über die
Verwendung aller Mannschaften und Hilfsquellen Frankreichs für die Landes-
verteidigung, welche er bereits begonnen habe und die günstige Ergebnisse
gezeitigt habe, gemeinsam mit dem Parlament fortzusetzen.
17. Juni. (Kammer.) Fortsetzung der Verhandlungen über
den Antrag Dalbiez.
Dalbiez gibt in Erwiderung der Rede Millerands vom 11. Juni zu,
daß der Kriegsminister eine Anzahl der Armee entzogenen jungen Leute
mit seinen Dekreten aus ihren Verstecken herausgezogen habe. Aber das
sei durchaus ungenügend gewesen. Der Minister habe behauptet, daß er
aus den verschiedenen Verwaltungszweigen 600000 Mann mobilisiert habe,
während es in Wirklichkeit nur 40000 seien. Von dem Postpersonal seien
kaum 9 Prozent an die Front geschickt worden. Das beweise, daß die Maß-
regeln des Ministeriums unwirksam seien und daß in jedem Falle ein Ge-
setz notwendig sei. Der Redner erinnert daran, daß die Zustimmung der
Kammer zur Aushebung des Jahrganges 1917 an die Voraussetzung ge-
knüpft gewesen sei, es müßten vor der Aufopferung dieser jungen Leute
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 58