916 Frantreich. (Juli 14.)
sammenstöße zu ersticken. Am Tage, nachdem ein französisch-deutsches Ab-
kommen geschlossen wurde, das die orientalischen Interessen regelte, und
als Europa beruhigt erschien, brachte ein unvorhergesehener Donnerschlag
die Welt zum Erzittern. Oesterreich hatte trotz der Warnungen Italiens,
trotz des Nachgebens Serbiens den Angriff auf Serbien ausgeführt. Die
Geschichte wird bestätigen, daß Rußland und Frankreich alles getan haben,
um den Frieden zu erhalten, aber der militärische Imperialismus der
Zentralmächte hat den Krieg gewollt. Die Nachwelt wird eines Tages mit
Verblüffung erfahren, daß nach der brüsken Kriegserklärung an Rußland
eines Tages ein deutscher Botschafter vergeblich versucht hat, sich von der
Pariser Bevölkerung beleidigen zu lassen, und dann, ohne zu lachen, auf
dem französischen Ministerium des Aeußern die von den Büros in der
Wilhelmstraße ausgeheckte Fabel als casus belli vorgelegt hat, ein fran-
zösischer Flieger habe, ohne dabei von jemanden gesehen zu sein, was wohl
seinen Grund hat, Bomben auf Nürnberg geworfen. Die rächende Ge-
schichte wird auch alle weiteren schmachvollen Handlungen erzählen: jene
feigen Vorschläge an England, die Verletzung der Neutralität Belgiens, die
Mißachtung aller Verträge, die Terrorisierung der Bevölkerung der be-
setzten Gebiete durch die barbarischsten Mittel und eine barbarische un-
menschliche Kriegführung. Jeder Franzose kann ruhigen Gewissens behaupten,
nichts vernachlässigt zu haben, damit der Friede erhalten bleibe. Frankreich
ist das unschuldige Opfer des brutalsten, bis ins kleinste vorbedachten An-
griffs geworden. Da man es gezwungen hat, das Schwert zu ziehen, hat
es nicht das Recht, das Schwert in die Scheide zurückzustecken, bevor seine
Toten gerächt sind, und bis der gemeinsame Sieg der Verbündeten ge-
statten wird, die Ruinen wieder aufzubauen, Frankreich in seiner Gesamt-
heit neu zu schaffen und es wirksam gegen die periodische Wiederkehr solcher
Provokationen zu schützen. Mit dem Willen zum Siege habe auch Frank.
reich die Gewißheit zu siegen. Die Feinde dürfen sich nicht darüber täuschen.
Nicht um einen unsicheren Frieden, nicht um einen unruhigen, flüchtigen
Waffenstillstand zwischen einem abgekürzten Kriege und einem noch schreck-
licheren Kriege zu unterzeichnen, nicht um kommenden neuen Angriffen und
tödlichen Gefahren ausgesetzt zu bleiben, hat sich Frankreich bebend bei den
wuchtigen Klängen der Marseillaise erhoben. der Endsieg wird der Preis
für die moralische Kraft und Ausdauer sein. Alle Kraft und Energie ist auf
ein einziges Ziel zu richten, nämlich den Krieg, solange er auch dauern mag.,
bis zur endgültigen Niederlage des Feindes, bis zum Ende des Alpdrucks fort-
zusetzen, den die deutsche Sucht nach Größe auf Europa lasten lasse. Schon er-
hellt der Tag des Ruhmes, den die Marseillaise feiert, den Horizont, schon be-
reichert das Volk in einigen Monaten die Annalen Frankreichs um eine große
Zahl wunderbarer Taten epischer Geschehnisse. Jene wunderbaren Volkstugen-
den erheben sich nicht umsonst an allen Stellen Frankreichs. „Lassen wir ihr
heiliges Werk beenden, sie bahnen dem Siege der Gerechtigkeit den Weg!,
(Siehe die Erwiderung der Nordd. Allg. Ztg. unter „Deutsches Reich“
16. Juli.)
14. Juli. Die Patriotenliga legt aus Anlaß des National-
festes an den Statuen der Straßburg und Lille Kränze und Wappen-
schilder mit dem Stadtwappen von Thann nieder.
Maurice Barres gedenkt Déroulödes und begrüßt die Stadt Straß-
burg, die „morgen“ von den Soldaten Frankreichs befreit werde.
14. Juli. Die sozialistische Partei Frankreichs hält am
Tage des Nationalfestes eine Tagung ihres großen Nationalrates