Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

918 Etankreiq. (Juli 30. August 4.) 
schatzscheine für die Landesverteidigung auf fieben Milliarden an 
und tritt sodann in die Debatte über den Gesetzentwurf gegen den 
Alkoholismus ein. 
Es wird eine Bestimmung angenommen, nach der Personen, die wegen 
Trunkenheit wiederholt vorbestraft wurden, die Ausübung ihrer politischen. 
Ehrenrechte entzogen wird. 
30. Juli. (Kammer und Senat.) 
Die Kammer erörtert einen Gesetzantrag betr. die direkten Steuern 
für 1916, der mit 491 gegen eine Stimme angenommen wird. 
Der Senat nimmt die Gesetzvorlage betr. Ankauf von Gefrierfleisch 
an. Er erteilt ferner einem Antrag seine Zustimmung, in dem die Re- 
gierung aufgefordert wird, die diplomatischen Verhandlungen mit den 
Verbündeten fortzusetzen, um zu einem internationalen Abkommen betr. 
Durchsetzung gemeinsamer Maßnahmen bezüglich eines Handelsverbots gegen 
Deutschland und Oesterreich-Ungarn zu gelangen. 
4. Aug. Aus Anlaß des Jahrestags der französisch- 
englischen Kriegserklärung wird in der Kammer und im Senat 
folgende Botschaft des Präsidenten Poincaré verlesen: 
Meine Herren! Sie werden es natürlich finden, daß der Präsident 
der Republik es sich nach einem Kriegsjahre zur Ehre macht, der Nation 
und der Armee die Gefühle der Bewunderung und des Dankes zum Aus- 
druck zu bringen. Als ich vor zwölf Monaten dem Lande diese heilige 
Einigkeit anempfahl, die eine Bedingung des Sieges ist und bleibt, da 
zweifelte ich nicht daran, daß mein Ruf sofort gehört werden würde. Nur 
unsere Feinde, die Frankreich immer verkannt haben, konnten glauben, daß 
wir ihren brutalen Angriff durch unsere Zwistigkeiten unterstützen würden. 
Gerade in dem Augenblicke, in dem sie keck verkündeten, daß Paris in 
Aufruhr stehe, nahm unsere Hauptstadt jene ernste und gleichmütige Physio- 
gnomie an, in der sich der kalte Entschluß der Geister enthüllte. Von den 
größten Städten bis in die kleinsten Dörfer floß die große Srömung der 
nationalen Brüderschaft, die in der Bevölkerung wie im Parlament sogar 
die Erinnerung an die bürgerlichen Zwistigkeiten tilgte. Arbeiter und Arbeit- 
geber, Bauern und Bürger, das ganze Volk stand auf gegen den Feind. 
Seit einem Jahre hat sich dieser Wille zur Eintracht nicht verleugnet. 
Nichts wird ihn schwächen. Wenn Deutschland auf die Zeit rechnet, um 
uns uneinig zu machen, so täuscht es sich heute ebensosehr wie im ver- 
gangenen Jahre. Die Zeit wird die Bande der französischen Familie nicht 
lockern, sondern sie immer fester knüpfen. Weil Frankreich einig ist, ist 
Frankreich groß und stark. Weil es einig ist, ist es zuversichtlich und ruhig. 
Jeden Tag sichert in der kleinsten Gemeinde die spontane Mitwirkung von 
Greisen, Aranen und Kindern den regelmäßigen Lauf des lokalen Lebens, 
bereitet die Aussaat, die Bewirtschaftung der Erde und die Einbringung 
der Ernte vor und trägt durch ihre Organisotion der Arbeit dazu bei, in 
der Seele des Volkes die Geduld und Festigkeit zu erhalten. Jeden Tag 
bringen die Franzosen aller Parteien und aller Konfessionen dem Staats- 
schatze ihre Opfergaben dar. Hände, welche die edle Spur der täglichen 
Arbeit tragen, legen an den Bankschaltern die mühselig verdienten Gold- 
stücke nieder. Ueberall gibt das Land ein wunderbares Beispiel eines und 
desselben Entschlusses. Der großzügige Wetteifer, der die Tätigkeiten Frank- 
reichs anstachelt, sich an der Landesverteidigung zu beteiligen, der das 
Parlament mit patriotischer Sorge ermutigt, stärkt die öffentliche Einigkeit.
	        
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