Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Erankreihh. (August 13.) 921 
reicher, Ungarn und Türken aus der Fremdenlegion entfernt werden 
können. 
13. Aug. Die Kammer nimmt den Antrag Dalbiez in der 
Fassung des Senats endgültig an. Darauf folgt die Besprechung 
der Kredite für die beiden neuen Unterstaatssekretäre im 
Kriegsministerium, des Intendantur- und des Sanitätswesens. 
Der Deputierte Peyroux richtet heftige Angriffe gegen das Sanitäts- 
wesen, das sich in einige Worte zusammenfassen lasse: Vor dem Kriege 
vollständiger Mangel an Voraussicht, seit dem Kriege Nachlässigkeit und 
Bureaukratismus. Als Folge davon unzählige Tote und Millionenvergeudung 
und zum Dank ein Minister, der seine ganze Verwaltung deckt, beibehält 
und Ehren und Beförderungen denjenigen zukommen läßt, die sich durch 
ihre Nachlässigkeit und Untauglichkeit hervorgetan haben. Im hyugienischen 
Laboratorium von Val de Grace bei Paris hat der Chefarzt für die Her- 
stelung der Präparate zur Schutzimpfung gegen Typhus einen Orchester- 
dirigenten als Assistenten angenommen, dem Journalisten, Advokaten und 
ein ehemaliger Abgeordneter beigegeben waren. Einen geprüften Chemiker 
der Pariser Universität hat man jedoch zurückgewiesen, und Journalisten 
und Advokaten setzten die Tätigkeit fsort. Das Günstlingswesen herrscht 
überall. Spezialdienste hat man eingerichtet, nicht für die Verwundeten, 
sondern für die Spezialisten. Unter den 21 Orthopädisten, die man an die 
Spitze des orthopädischen Dienstes berufen hat, befinden sich 6 Chirurgen 
und Aerzte. Ueber die 15 anderen aber hat der Minister niemals hinsicht- 
lich ihrer Qualifikation Auskunft geben wollen. Kläglich ist es mit der 
nach Serbien und an die Dardanellen entsandten Sanitätsmission bestellt 
gewesen. Während die übrigen Missionen mit allen Instrumenten und 
selbst Lazaretteinrichtungen ausgerüstet sind, sind die französischen Missionen 
mit leeren Händen angekommen. Dazu hatten die Ambulanzen keine 
Krankenträger und das Material ist erst mit bedeutender Verspätung an- 
gekommen. Serbien mußte das Fehlende in Paris kaufen. Auf den Vor- 
halt des Unterstaatssekretärs, daß die serbische Gesandtschaft in Paris der 
Regierung ein Anerkennungsschreiben gesandt habe, erwidert der Redner, 
daß er seine Angaben von den beteiligten französischen Aerzten selbst habe. 
An den Dardanellen sind dieselben Fehler begangen worden. In Mudros 
ist das Lazarett in kläglichem Zustande. Es hat keine Betten, keine Decken, 
kein Wasser und fast auch keine Medikamente. 
Als zweiter Redner nimmt der Sozialist Navarre, ebenfalls Arzt, 
das Wort. Er erinnert zunächst an die Schwierigkeiten, welche die Oygiene- 
kommission der Kammer mit dem Kriegsministerium hatte, um ihrer Auf- 
gabe nachkommen zu können. Als ihre Vertreter dann endlich bis zur 
Front gelangten, stellten sie fest, daß es an Krankenstationen mangelte, an 
erfahrenem Personal und nötigem Zubehör. Wo ein Chirurg nötig war, 
hatte man einen Augen= oder Zahnarzt hingeschickt. Ebenso habe es an 
Transportmitteln für die Fortschaffung von Verwundeten gefehlt. Eine 
dem Feuer des Feindes ausgesetzte Krankenstation ist infolgedessen 14 Tage 
an demselben Platze geblieben. Der Kriegsminister hat die Verantwortlich- 
keit für alle diese Mängel im Senat auf die Aerzte selbst abgewälzt, nament- 
lich auf die 15000 Reserveärzte, die man zu nur 1500 vorhandenen Militär- 
ärzten einberufen hatte. Man hat es aber schon an der militärischen Aus- 
bildung dieser Reserveärzte fehlen lassen. Man hat die alten Sanitäts- 
sormationen schon vollständig desorganisiert, ehe die neuen gebildet waren,
	        
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