Italien. (Mai 25. 26.) 971
25. Mai. Kriegsregeln für die Presse.
Das Amtsblatt veröffentlicht Kriegsregeln für die Presse. Ueber die
Zahl der Toten, Verwundeten und Gefangenen dürfen nur amtliche An-
gaben gedruckt werden. Verboten sind alle Aeußerungen, die die Stimmung
drücken, das Vertrauen in die Behörden erschüttern und den Parteikampf
verschärfen können. Nach zweimaliger Beschlagnahme erfolgt vorübergehende
oder dauernde Unterdrückung der schuldigen Zeitung. Auch Bücher unter-
liegen der Präventivzensur.
25. Mai. Der deutsche Botschafter in Rom, Fürst Bülow,
fordert seine Pässe und reist heute von Rom ab; mit ihm fährt
auch der preußische Gesandte am Vatikan ab. Der österreichisch-
ungarische Botschafter Baron Machchio verließ Rom bereits am 21.
26. Mai. Die „Gazetta Ufficiale“, der italienische Regierungs-
anzeiger, veröffentlicht ein königliches Dekret, das Artikel 211 und
243 des Gesetzes über die Handelsmarine abschafft.
Diese Artikel bestimmten, daß bei Kriegsausbruch die Kaperung von
Handelsschiffen im Falle der Gegenseitigkeit unterbleiben könne, und daß
den feindlichen Handelsschiffen, die sich bei Kriegsausbruch in italienischen
Häfen befinden, eine Frist zum Auslaufen gegeben wird.
Die Abschaffung dieser Bestimmungen bezweckt, wie italienische Blätter
selbst zugeben, daß Italien sich der deutschen und österreichischen Schiffe
bemächtigen kann, die seit Anfang August 1914 hauptsächlich in den Häfen
Genua, Livorno und Palermo liegen.
Lloyds Liste enthält die Namen von 36 deutschen Schiffen von zu-
sammen 142776 Tonnen, die zurzeit in italienischen Häfen liegen. Außerdem
liegen nach Lloyds 21 österreichische Schiffe von zusammen 73895 Tonnen
in italienischen Häfen.
26. Mai. Gestern wurden in Genua sieben der österreichisch-
ungarischen Handelsmarine angehörige Dampfer sequestriert.
Die Mannschaft wurde gefangen genommen und auf den Dampfer
„Re Umberto“ gebracht. Es handelt sich um die Dampfer „Duna“, „Don“,
„Nimrod“, „Franz Musner“", „Dakia“, Erzherzog Stephan", Matlekvits“.
26. Mai. Verhängung der Blockade in der Adria.
Amtlich wird bekannt gemacht: Die königliche Regierung, nachdem sie
den Kriegszustand zwischen Italien und Oesterreich-Ungarn festgestellt und
beobachtet hat, daß einige Häfen der albanischen Küste zur heimlichen Ver-
sorgung der österreichischen Flotte mit kleinem Schiffsmaterial dienen, er-
klärt: Vom 26. Mai 1915 an wird von den italienischen Seestreitkräften
die effektive Blockade verhängt über 1. die österreichisch-ungarische Küste
von der italienischen Grenze im Norden bis zur montenegrinischen Küste
im Süden mit allen Inzein. Häfen, Meerbusen, Reeden und Buchten;
2. über die albanische Küste von der montenegrinischen Grenze im Norden
bis einschließlich Kap Kephali im Süden. Die Schiffe befreundeter und
neutraler Staaten erhalten vom Oberkommandierenden der italienischen
Flotte eine Frist festgesetzt, um frei aus der Blockadezone auszulaufen.
Gegen die Schiffe, die in Verletzung der Blockade die Sperrlinie, die durch
die Verbindung des Kap von Otranto mit dem Kap Kephali gebildet wird,
zu durchbrechen suchen oder durchbrochen haben, wird nach Regeln des
internationalen Rechts und der bestehenden Verträge verfahren.