Italien. (Dezember 2./4.) 997
keit einer parlamentarischen Kontrolle. Raimondo erklärt, die Stunde sei
für den Vierverband gekommen, ein festes und klares Programm anzu-
nehmen. Eine andere Stellung als die gegenwärtige für Italien hätte die
Verleugnung seiner Daseinsberechtigung bedeutet. Colajanni sieht es als
Pflicht Italiens an, Serbien zu helsen. Er sei immer ein Anhänger des
Friedens gewesen, aber heute sei die Propaganda dafür, wenn sie nicht
allgemein bei allen Kriegführenden betrieben werde, nur für die Zentral-
mächte vorteilhaft. Calisse billigt die Erklärungen Sonninos und sieht die
beste Entschädigung für die gegenwärtigen schweren Opfer in der erneuerten
Größe des Vaterlandes. Meda: Die Katholiken, indem sie der nationalen
Politik zustimmen, haben die Grundsätze der allgemeinen Brüderlichkeit,
die das Wesen des Christentums bildeten, nicht verletzt; denn diese Grund-
sätze verpflichten nicht, Gewalt zu erdulden oder dem Hasse das Feld frei
zu lassen, sondern sie gestatten, die Gerechtigkeit mit Gewalt wiederherzu-
stellen, wenn sie durch Gewalt verletzt ist. Der Redner billigt den Anschluß
Italiens an den Londoner Vertrag, selbst wenn sich daraus eine Verlänge-
rung oder Ausdehnung des Krieges ergeben sollte.
Luzzatti: Die würdige Aufgabe des italienischen Krieges werde eine
neuerliche Bestärkung des Nationalitätengrundsatzes sein. Der Redner spricht
den Wunsch aus, daß sich die Diplomatie des Vierverbandes zukünftig weit-
blickender und energischer zeige, und daß das Waffenbündnis von einem
Bündnisse der Interessen begleitet sei, das schon jetzt die Grundlage
zu neuen Handelsverträgen lege. Vom Beitritt zum Londoner Vertrag er-
hofft er, daß dieser sich nicht auf die negative Formel beschränke, die einen
Sonderfrieden ausschließe, sondern dazu dienen werde, Italien die Früchte
zu sichern, die es nach so großen Opfern mit Recht erwarten dürfe. Das
Parlament möge sich für die Größe des Vaterlandes um die Regierung
scharen. Jede Parteirücksicht müsse vor dem Vaterlandsgedanken weichen,
der stets der höchste und heiligste Ausdruck menschlicher Solidarität sei und
sein werde. Dieses ruhmvolle große Vaterland sei aller Opfer und Hoff-
nungen würdig.
Darauf ergreift Ministerpräsident Salandra das Wort. Er erkennt
an, daß man schon jetzt für die zukünftige wirtschaftliche Lage Sorge tragen
müsse. Man müsse sich durch geeignetes Studium darauf vorbereiten. Jeder-
mann aber werde anerkennen müssen, daß die beste wirtschaftliche Vor-
bereitung der Sieg sei. Wenn die Ereignisse eine vorübergehende und
ausnahmsweise Beschränkung der verfassungsmäßigen Freiheiten notwendig
gemacht hätten, so werde die Kammer zugeben, daß die Regierung von
ihren außerordentlichen Vollmachten nur in möglichst engen Grenzen Ge-
brauch gemacht habe, da ja auch das Land Ruhe bewahrt habe, die es in
bewundernswürdiger Weise weiter halte. Salandra erklärt, er könne die
Pressezensur nicht auf militärische und diplomatische Dinge beschränken,
denn es sei unmöglich, festzustellen, wo diese Dinge aufhörten und politische
Angelegenheiten begännen. Aber die Zensur solle nicht ein Werkzeug werden,
um die Regierung der Kritik zu entziehen. Er danke dem sozialistischen
Abgeordneten Treves für die Reinheit und Vornehmheit, mit der er die
Gedanken seiner Partei kundgetan habe. Er teile den Idealismus von
Treves über den künftigen Frieden, aber schließe sich besonders an das be-
wegte Lob an, das er .unserem heiligen, heldenhaften Volke zollte. Anderer-
seits überzeuge der Verlauf der Ereignisse, gleichviel ob sie glücklich oder
unglücklich sind, immer mehr die Regierung von der Notwendigkeit und
Gerechtigkeit unseres Krieges, ohne den wir rettungslos in unseren Inter-
essen beeinträchtigt worden wären, und, was noch schlimmer ist, in der
Würde und Ehre der Nation. Er freue sich, persönlich festgestellt zu haben,