Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Ilalien. (Dezember 16./17.) 1001 
Präsident Marcora, der die nationale Wiedergeburt Italiens miterlebt habe, 
auch die Krönung des Werkes erleben möge, zu dem er beigetragen habe. 
Sodann entbietet Salandra den tapferen Soldaten zu Lande und zu Wasser 
sowie den tapferen Kommandanten einen innigen Gruß. Er gedenkt mit 
ehrenden Worten des Oberbefehlshabers der Armee und der Marine, des 
Königs, der gleich seinen Soldaten und in ihrer Mitte das nahende Fest 
fern von seiner Familie verbringen werde. Viktor Emanuel verkörpere alle 
Energie, alle Tugenden, alle Hoffnungen der Nation. 
Kammerpräsident Marcora dankt dem Ministerpräsidenten und seinen 
Kollegen, er entbietet seinen besonderen Gruß den Kollegen, die auf das 
Feld der Ehre zurückkehren werden. 
Die Kammer vertagt sich darauf auf den 1. März 1916. 
16. 17. Dez. (Senat.). Nach scharfer Kritik durch Barzelotti 
wird der Regierung ein einstimmiges Vertrauensvotum bewilligt. 
Barzelotti erklärt, er verurteile nicht die nationalen giele, die die 
Regierung sich gesteckt habe, wohl aber den Gebrauch, den die Regierung 
zu deren Erreichung von ihren Machtvollkommenheiten gemacht habe. Der 
Redner fordert für das Parlament das Recht auf Prüfung der ausführenden 
Gewalt und fügt hinzu, daß in einem Lande, das wie Italien konstitutionell 
regiert werde, es nötig sei, daß die großen politischen Akte, wie Abschließung 
und Kündigung von Bündnissen, nicht der vorausgehenden Prüfung seitens 
der Nationalvertretung entzogen werden. Tatsächlich sei niemals die Ver- 
bindung zwischen den ausführenden Gewalten und den Landesvertretungen 
so selten, kurz und flüchtig gewesen, wie seit Ausbruch des Krieges bis 
heute. Die beiden wichtigsten Dokumente der auswärtigen Politik, das 
Grünbuch und die letzte Rede Sonninos, hätten bewiesen, daß, abgesehen 
von der Kriegserklärung, die als bereits beschlossen und unvermeidlich vor- 
gelegt worden sei, kein einziger entscheidender und grundlegender Akt, durch 
den das Schicksal des Landes festgelegt wurde, vorher dem Beschluß des 
Parlaments unterbreitet worden sei. Der Redner erklärt ferner, der von 
der Regierung angenommene Vorschlag Molinas, die Kammer bis zum 
1. März zu vertagen, bedeute gegenüber der großen Verantwortlichkeit, die 
auf der Regierung laste, einen allzu großen Zeitraum. Barzelotti beschul- 
digt die Regierung, die Verantwortlichkeit, die dem Parlament zustehe, 
auf sich genommen zu haben, um sie später auf das Parlament abzuwälzen. 
Der Redner fährt sort: Von dem RKrieg, den der König als nationalen 
Erlösungskrieg bezeichnete, sind wir zu weiteren Kriegserklärungen über- 
gegangen, wodurch unsere Lage auf Grund von Abmachungen mit den 
Verbündeten immer enger mit derjenigen der kriegführenden Mächte ver- 
flochten wurde. Die letzte und wichtigste dieser Abmachungen, nämlich die 
Beteiligung am Londoner Vertrag, wurde am Vorabend der Kammer- 
eröffnung unterzeichnet und von dem Minister des Aeußern gleichzeitig 
mit einem anderen wichtigen Beschluß, nämlich der italienischen Expedition 
nach Albanien zur Unterstützung Serbiens, verkündigt. Die Regierung ist 
also, rief der Redner aus, indem sie eine ungeheure Verantwortlichkeit auf 
sich nahm und das Schicksal und die Zukunft des Landes aufs Spiel setzte, 
vorgegangen und hat die verantwortlichen Fragen von dem Parlament 
ferngehalten, das nur davon zu hören bekam, als sie bereits nicht mehr 
zur Erörterung standen, da sie schon zur Tatsache geworden waren. 
Nach einem Hinweis auf England und Frankreich, wo ständige Parla- 
mentsausschüsse in politischer, diplomatischer und militärischer Beziehung 
die Arbeit der Regierungen prüfen, wendet sich der Redner gegen die demo- 
kratische Presse, die, statt das Land zu unterrichten, polemisiere und der
	        
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