Schweiz. (Juni 9.—15.) 1017
land durch die Schweiz und stellt sie als ein Zeugnis der Anerkennung
hin für die neutrale Haltung des Bundesrats im europäischen Kriege. Das
Volk sei entschlossen, weiterhin keine Opfer zu scheuen, um seine Unabhängig-
keit und Neutralität zu wahren.
Der Nationalrat genehmigt die Rechnungen der Bundesbahnen über
1914, die mit einem Passivsaldo von neun Millionen Franken abschließen.
Im Ständerat wird ein Zusatzabkommen zum Handelsvertrag
mit Großbritannien genehmigt, welches Kanada, Australien und Neu-
seeland erlauben soll, eigene Verträge mit der Schweiz zu schließen.
Winiger (Luzern) und vier andere Mitglieder bringen folgende Inter-
pellation ein: Die Unterzeichneten wünschen Aufschluß über die Absichten
des Bundesrats hinsichtlich der Organisation der Einfuhr von Lebens-
mitteln und Rohstoffen im weiteren Verlaufe der Kriegszeit zu erhalten.
9. Juni. (Nationalrat und Ständerat.)
Rothenberger (Basel) befürwortet im Nationalrat die Abschaffung der
Portofreiheit für kantonale und Gemeindebehörden, nimmt jedoch den
Antrag auf die Zusicherung des Bundesrates Forrer zurück, daß der
Bundesrat bereits einen dahinzielenden Beschluß gefaßt habe und in nächster
Zeit eine Vorlage einbringen werde.
Grimm (Bern) begründet eine sozialdemokratische Motion, die eine
Reform des Ausweisungsrechtes verlangt, namentlich die Veröffent-
lichung der Motive für jede Ausweisung im Amtsblatt. Der Redner be-
schwert sich über die Ausweisungen von italienischen Streikagenten in den
letzten Jahren. Bundesrat Müller erwidert, solche öffentlichen Auskünfte
seien nicht zu empfehlen. Jede Ausweisung werde vom Bundesrat selbst
nach genauer Prüfung der Dossiers angeordnet, und er könne nicht dulden,
daß fremde Agitatoren Unruhe in der Schweiz stiften. Auf Antrag Müllers
wird die Motion mit 83 gegen 15 Stimmen abgelehnt.
Im Ständerat reicht Kunz (Bern) eine Motion ein, wonach den
Eisenbahngesellschaften die Rechtswohltat des Nachlaßvertrags gewährt
werden soll.
10. Juni. (Nationalrat.) Daucourt begründet einen Antrag
in betreff wirksamer Bekämpfung des Alkoholismus.
Er konstatiert, das Alkoholmonopol habe nicht alle bei seiner Ein-
führung gemachten Versprechungen gehalten, und weist auf die Notwendig-
keit hin, den Alkoholpreis wesentlich zu erhöhen. Gleichzeitig müsse nach
Mitteln gesucht werden, damit diese Erhöhung die freie Destillation aus
Früchten nicht fördere. Bundespräsident Motta nimmt den Antrag an,
hebt aber die Verdienste der Alkoholverwaltung im Kampf gegen den
Alkoholismus hervor. Allerdings habe die freie Destillation eine ungeahnte
Entwicklung genommen, und es müsse untersucht werden, ob dieselbe be-
steuert oder dem Monopol unterstellt werden solle. Der Antrag wird ein-
stimmig für erheblich erklärt.
15. Juni. (Nationalrat.) Einzelberatung über den Geschäfts-
bericht von 1914. Debatte über Zenfsur und Neutralität.
Secrétan (Lausanne), der Präsident der Geschäftsprüfungskommission,
übt scharfe Kritik an der Praxis der Militärgerichte und insbesondere an
der Verurteilung der gegenwärtig der Militärgerichtsbarkeit unterstellten.
Zivilversonen; serner an der Handhabung der Zensur, insbesondere
der sog. Neutralitätszensur.
Bundesrat Hoffmann, der Vorsteher des politischen Departements,