Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1022 Schweit. (Juni 19.—Juli 2.) 
nur angenommen werden, wenn die Zahl der Rohstoffe und Nahrungs- 
mittel, an deren Ausfuhr und Durchfuhr die Bedingung absoluter Wieder- 
ausfuhrverweigerung geknüpft wird, eine mäßige ist, und wenn einer Reihe 
wichtiger nationaler Industrien die freie Ausfuhrmöglichkeit auch dann ge- 
währleistet wird, wenn sie mit eingeführten Rohstoffen arbeitet, die an sich 
unter das absolute Ausfuhrverbot fallen, natürlich vorausgesetzt, daß nicht 
eine Verwendung zu direkten Kriegszwecken in Frage steht. Ferner müssen 
zum Zwecke des für die Schweiz eine Lebensbedingung bedeutenden Aus- 
tauschverkehrs die erforderlichen Kompensationsmöglichkeiten geschaffen werden, 
und schließlich ist selbstverständliche Bedingung, daß die Schweiz von jeder 
ausländischen Bevormundung freigehalten werden muß. Die wirtschaftliche 
Politik des Bundesrates war stets eine neutrale und wird auch in Zukunft 
eine streng neutrale bleiben. Der Einfuhrtrust muß, um annehmbar zu 
sein, die Möglichkeit schaffen, diese neutrale Stellung auch fernerhin ein- 
zunehmen. Bei den vorhandenen vortrefflichen Beziehungen sei wohl zu 
erwarten, daß sie der Schweiz alles ersparen werden, was eine übermäßige 
Beeinträchtigung ihrer freien wirtschaftlichen Selbständigkeit zur Folge 
haben könnte. 
Sollten die Verhandlungen über die Schaffung des Einfuhrtrustes 
wider Erwarten nicht zu einem befriedigenden Resultat gelangen und sollte 
die sich alsdann ergebende Lage neue wirtschaftliche Schädigungen zeitigen 
und Opfer verlangen, so ist der Bundesrat gewiß, daß sie von dem schweizeri- 
schen Volke mutig und patriotisch getragen werden. Grund zu irgendwelcher 
Beunruhigung, namentlich bezüglich der Lebensmittelversorgung, ist 
nicht vorhanden. Die kriegführenden Staaten haben in dankenswerter Weise 
für die Schweiz die Möglichkeit geschaffen, die für die Bevölkerung erforder- 
lichen Lebensmittel in einem Umfange einzuführen, der uns nicht nur bis 
jetzt ermöglichte, ohne Not zu leben, sondern auch auf lange Zeit hinaus 
reichende Vorräte zu beschaffen und ohne große Sorge in die Zukunft zu 
blicken. Eine Organisation des Konsums ist bis heute nicht not- 
wendig gewesen und wird auch zurzeit nicht ins Auge ge faßt. 
Sollte sie wünschenswert erscheinen, so wird sich unser Volk auch eine Ein- 
schränkung willig gefallen lassen. 
19. Juni. Die Bundesversammlung vertagt sich auf den 
20. September. 
29. Juni. Die Verhandlungen mit dem Vierverband wegen 
eines übereinkommens über die Errichtung eines schweizerischen 
Einfuhrtrusts führen nach längeren schwierigen Verhandlungen 
schließlich zum Ziel. Die Ernennung der Direktoren hat durch die 
Bundesregierung zu erfolgen. 
2. Juli. Der Bundesrat genehmigt eine Verordnung be- 
treffend die strafrechtliche Verfolgung von Beschimpfungen fremder 
Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen. 
Danach wird, wer öffentlich in Wort oder Schrift, in Bild oder Dar- 
stellung ein fremdes Volk, dessen Staatsoberhaupt oder dessen Regierung 
in der öffentlichen Meinung herabwürdigt oder dem Haß und der Miß- 
achtung preisgibt, sowie, wer eine nicht öffentliche Aeußerung dieses Inhalts 
in beleidigender Absicht öffentlich macht, mit Gefängnis bis zu 6 Monaten 
oder mit Geldbuße bis zu 5000 Franken bestraft. Beide Strafen können 
verbunden werden. Ferner: Wer Drucksachen, Bilder oder andere Dar-
	        
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