Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Schweiz. (September 22.—30.) 1027 
Kontrolle über Einhaltung der den Mitgliedern auferlegten Verpflichtungen 
zu üben. Für diese Kontrolle ist freier Zutritt in die Fabriken, Magazine 
und Büros und freier Einblick in alle Bücher und Belege zu gewähren. 
Ein gleiches Kontrollrecht steht den vom Verwaltungsrat der S. S. S. hierzu 
bestimmten Mitgliedern zu. Uebertretungen der übernommenen Verpflich- 
tungen werden mit Konventionalstrafe im mindestens dreifachen Betrag des 
Wertes der Waren geahndet, die unrechtmäßig ausgeführt oder im Wider- 
spruch mit den erlassenen Vorschriften benutzt worden sind. 
22. Sept. (Nationalrat.) Zur Beratung steht das Gesetz 
über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte. 
Bundesrat Calonder nennt die „weiße Kohle“" einen Faktor der zukünf- 
tigen nationalen Unabhängigkeit der Schweiz. Es sei vom Bundesrate sogar 
erwogen worden, die Ausfuhr der elektrischen Energie abzuschneiden. Bei 
den Millionen von Pferdestärken unausgenützter Wasserkräfte sei dies aber 
noch nicht nötig. Auch von Erhebung einer Ausfuhrgebühr will der Bund 
vorläufig absehen, beansprucht jedoch das Recht dazu. Die Verfügung über 
unbenutzte Gewässer wird nach langen rednerischen Kämpfen zwischen Föde- 
ralisten und Zentralisten dem Bundesrat zugesprochen. 
27. Sept. (Nationalrat.) Bundesdarlehen für Uri. 
Dem Kanton Uri wird ein Bundesdarlehen von fünf Millionen 
zur Erfüllung der ihm aus dem Zusammenbruch seiner Ersparniskasse er- 
wachsenen Verbindlichkeiten gewährt. 
W. Sept. (Ständerat und Nationalrat.) Kriegssteuer. 
Im Ständerat stellt Bundespräsident Motta bei der weiteren Beratung 
der Kriegssteuer zwei Zusatzanträge, die die Besteuerung der Kriegs- 
gewinne bezwecken. Wo der Erwerb juristischer Personen oder die Divi- 
dende der Aktiengesellschaften 1915 den Durchschnitt übersteigt, soll für die 
Klasseneinteilung zur Kriegssteuer nicht der Gewinn der letzten Jahre, 
sondern nur der von 1915 zugrunde gelegt werden. Die Anträge werden 
angenommen. Ferner beschließt man für ausländische juristische Personen, 
die in der Schweiz nur einen Teil ihres Geschäftsbetriebes haben, eine 
dem ausländischen Teil entsprechende Herabsetzung des Steuerbetrages ein- 
treten zu lassen. 
Im Nationalrat wird die Staatsrechnung für 1914 genehmigt. 
Bundespräsident Motta tritt mit allem Nachdruck für ein Tabakmonopol ein. 
30. Sept. (Nationalrat.) Militärische Interpellationen. 
Der Sozialdemokrat Grimm (Bern) wünscht vom Bundesrat Aus- 
kunft darüber, ob er die kürzlich vom Armeestab eingeführte Präventiv-- 
zensfur über Vorkommnisse im Gebiete der schweizerischen Grenzbewachung 
gutheiße. Die Schweiz sei nicht im Kriegszustand und eine Präventiv- 
zensur bedeute, wenn sie sich ganz allgemein auf Vorkommnisse im Grenz- 
gebiet erstrecke, eine Bevormundung des Volkes und der Demokratie. Bundes- 
rat Decoppet gibt zu, daß die betreffende Verfügung der Militärbehörde 
verfassungsrechtlich nicht begründet und daher aufzuheben sei; doch werde 
man auf anderem Wege versuchen müssen, die Verbreitung falscher Gerüchte 
über militärische Vorgänge aus dem Grenzgebiet zu verhindern. Der Genfer 
Sozialdemokrat Sigg interpelliert wegen der Verweigerung des Urlaubs 
an Parlamentsmitglieder durch die militärischen Behörden und weist auf 
Deutschland hin, wo das unmöglich sei. Vorher habe auch Grimm sich ge- 
nötigt gesehen, in einem Falle die deutschen Maßnahmen demokratischer als 
dic der Schweiz zu nennen. Bundesrat Decoppet sucht die vorgekommenen
	        
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