Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1034 Schweiz. (Dezember 28.) 
stadium von mindestens fünf Jahren. Belgien hätte aber an Deutschland 
eine jährliche Kriegskontribution zu bezahlen in Höhe des früheren Militär- 
budgets, wogegen Deutschland bis zur endgültigen Auszahlung die Polizei- 
gewalt ausüben wird. 
2. Die okkupierten französischen Departements würden ohne weiteres 
an Frankreich zurückgegeben. Auch auf eine Kriegsentschädigung seitens 
Frankreichs würde Deutschland verzichten, sofern Frankreich seine Forderungen 
an Rußland im Betrage von etwa 18 Milliarden Franken an Deutschland 
abtritt. Selbstverständliche Voraussetzung dieses Abkommens mit Frankreich 
wäre die Rückgabe aller deutschen Kolonien durch England und die Räumung 
von Calais. 
3. Russisch-Polen soll unter einem deutschen Fürsten als König von 
Polen vollkommen unabhängig und selbständig werden; dagegen hätte es 
an Deutschland eine Kriegskontribution auf gleicher Grundlage wie Belgien 
zu entrichten. Dem historischen Drange nach dem Meere, der Rußlands 
Politik seit Jahrhunderten beherrscht, soll in der Weise entsprochen 
werden, daß dem Zarenreiche ein Ausgang nach dem Persischen Golfe zu- 
gestanden wird. 
4. Italien müßte auf die okkupierten türkischen Inseln verzichten, wo- 
gegen sein status duo ante aufrecht erhalten bliebe. 
5. Bulgarien müßte selbstverständlich Mazedonien zugesprochen werden, 
ebenso ein von Nisch bis Semendria reichender Korridor bis zur Donau. 
Das frühere Altserbien soll selbständig bleiben oder aber mit Montenegro 
zu einem Königreiche vereinigt werden. 
6. Albanien müßte seine früher zugestandene Selbständigkeit unter 
einem selbstgewählten Fürsten tatsächlich erhalten. 
7. Die Ansprüche Rumäniens und Griechenlands scheinen in diesem 
Augenblick noch nicht festzustehen. 
Wir glauben, daß es die Pflicht der neutralen Presse ist, die Diskussion 
über diese Grundbedingungen des künftigen Friedens zu eröffnen, denn es 
kann keinem Zweifel unterliegen, daß jene eine sehr empfindliche Verschär- 
fung erfahren würden, wenn weitere größere kriegerische Ereignisse zugunsten 
der Zentralmächte entscheiden würden. Man darf sich darüber keiner Täu- 
schung hingeben, daß Deutschland trotz seiner aufrichtigen, tiefempfundenen 
Friedenssehnsucht mit neu entfachtem Grimm zum Schwerte greifen wird, 
wenn die dargebotene Hand in tragischer Verkennung der wirklichen Situa- 
tion zurückgestoßen würde. 
(Die „Nordd. Allg. Ztg.“ weist unterm 29. Dez. darauf hin, daß der 
Artikel lediglich private Gedankengänge enthält und daher nicht als Aus- 
gangspunkt für eine ernste Diskussion über die Ansichten leitender Kreise 
dienen kann.)
	        
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