1038 Belgien. Juli 22. -27.)
I
22. Juli. Vlamische Bewegung.
Eine Grupve von führenden Vlamen veröfßfentlicht ein Manifen, in
dem sie bei aller Betonung ihrer Loyalität die völkische Selbnändigkeit und
Selbstregierung Flanderns fordert. Das Manifenn# begrüßt die vlamische
Bewegung, die auch nach dem Kriege fortdauern werde.
25. Juli. Ein Ministerrat unter Vorsitz König Alberts, der
in einer belgischen Ortschaft abgehalten wird, beschließt eine Um-
formung des Kabinetts.
De Brocqueville behält das Kriegsministerium, dagegen übernimmt
der frühere Gesandte in Berlin, Baron Beyens, das Aeußere, und der
Führer der liberalen Partel, Paul Hymans, das Ministerium des Innern.
Das Kabinett soll damit einen Charakter erhalten, der die ganze Nation
repräsentiert.
27. Juli. Offener Brief des Generalgouverneurs Frhrn. von
Bissing an die belgische Bevölkerung.
Er führe, so heißt es darin, auf Grund der Haager Konvention die Ver-
waltung des Landes und verwalte dieses in Ausführung dieser völkerrecht-
lichen Verpflichtungen nicht ausschließlich zu Nutz und Frommen des Deutschen
Reiches, sondern in Erfüllung schwerer dem besetzten Belgien gegenüber
bestehender Verpflichtungen. Eine nicht geringe Anzahl von Bürgermeistern,
Staats= und Kultusbeamten, Städtern und Landwirten, auch wohltätigen
Frauen und Männern habe das Ziel seiner Bestrebungen erkannt. An zahl-
reichen anderen Stellen aber begegneten seine Maßnahmen immer noch
einem offenen oder geheimen Widerstande. Es scheine der Wahn zu herr-
schen, als sei es eine patriotische oder mannhafte Tat, sich den Verord-
nungen der okkupierenden Macht entgegenzustellen. Vielfach sei der Gedanke
verbreitet, als könne demienigen Mangel an vaterländischem Mute oder gar
Treubruch vorgeworfen werden, der die Arbeit der deutschen Verwaltung
unterstütze. Wer seiner Verwaltung sich willfährig oder förderlich erweise,
diene nicht der besetzenden Macht, sondern vorwiegend seinem cigenen
Vaterlande. Wer dieser widerstrebe, schade nicht dem Deutschen Reiche,
sondern ausschließlich seinem Vaterlande Belgien. Ein derartiges Tun könne
aber weder als mannhaft noch als patriotisch gelten. Der Generalgouverneur
verlange von niemand eine Abkehr von seinen Idealen oder etwa gar eine
heuchlerische Verleugnung seiner Ueberzeugung. Was er aber von jedermann
erwarten müsse, sei die Anerkennung des tatsächlichen Zustandes, daß er
und seine Verwaltung nach Kriegs= und Völkerrecht die gesetzliche Pflicht
und demnach auch das gesetzliche Recht hätten, das Land zu verwalten und
die Behörden des Landes, wie auch seine geistlichen und weltlichen Führer
zur Mitarbeit heranzuziehen. Es sei daher dringend notwendig, daß der,
der Einfluß besitze, ihn schaffend betätige. Er achte jedes religiöse, politische
und nationale Glaubensbekenntnis und begrüße jede ehrliche Mitarbeit,
woher sie auch komme:; aber seine Pflicht zwinge ihn, gegen Widersetzliche,
gegen diejenigen rücksichtslos einzuschreiten, die offen oder geheim die öffent-
liche Ordnung stören, oder welche versuchen, die Wiederherstellung und
ruhige Entwicklung des öffentlichen Lebens zu verhindern. Ohne Ansehen
der Person werde er in Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben die-
jenigen zur Rechenschaft ziehen, die sich ihm mit Wort und Tat widersetzen,
zind soweit sie sich im Besitze eines öffentlichen Amtes befinden, aus diesem
entfernen.