Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1040 Belgien. (August 3.) 
Herr de Margerie brachte unserer Unterredung über die Verteidigung 
Belgiens ein anhaltendes Interesse entgegen, und ich zweifle nicht, daß sie 
dem, den es angeht, wiederholt wird.“ 
Alsdann beschäftigt sich das Blatt mit dem vorher erwähnten Bericht 
des belgischen Gesandten in Berlin über Belgien und das Kongogebiet. 
Dann erwähnt es, am 26. Juli 1914 habe der Gesandte in Berlin, 
Baron Beyens, dem Minister Davignon in Brüssel gemeldet, Deutsch- 
land und Oesterreich-Ungarn wollten auce. er der Vernichtung Serbiens einen 
tödlichen Schlag gegen Frankreich und Rußland führen. Baron Beyens 
führte insbesondere aus: 
Aus mehrfachen Gesprächen, die ich gestern mit dem französischen Bot- 
schafter und den Gesandten der Niederlande und Griechenlands und dem eng- 
lischen Geschäftsträger hatte, ergibt sich für mich die Vermutung, daß das 
Ultimatum an Serbien ein zwischen Wien und Berlin vorbereiteter Streich 
war, oder besser, daß er hier ersonnen und in Wien vollführt worden ist. 
Darin liegt dessen große Gefährlichkeit. Die für die Ermordung des Erz- 
herzog-Thronfolgers wegen der allserbischen Propaganda zu übende Rache 
würde nur als Vorwand dienen. Der beabsichtigte Zweck wäre, neben der 
Vernichtung Serbiens und den südflawischen Bestrebungen, die Versetzung 
eines tödlichen Schlages an Frankreich und Rußland in der Hoffnung, daß 
England sich von dem Kampfe fernhalten würde. Um diese Vermutungen 
zu rechtfertigen, muß ich auf die bei dem deutschen Generalstab herrschende 
Ansicht zurückkommen, daß ein Krieg mit Frankreich und Rußland un- 
vermeidlich und nahe sei, und für diese Ansicht ist es gelungen, auch den 
Kaiser zu gewinnen. Dieser von der Militär= und Alldeutschen-Partei heiß 
ersehnte Krieg ließe sich heute unternehmen, meint sie, unter außerst gün- 
stigen Verhältnissen für Deutschland, die sich vielleicht nicht so bald wieder 
bieten könnten. Deutschland hat seine Heeresverstärkung vollendet, die das 
Gesetz von 1912 anordnete, anderseits empfindet es, daß es nicht ohne Ende 
mit Frankreich und Rußland einen Wettlauf in den Rüstungen durchführen 
kann, der es schließlich zugrunde richten würde. Der Wehrbeitrag war für 
die Reichsregierung eine Enttäuschung, da er ihr die Grenzen des Volks- 
vermögens gezeigt hat. Ehe Rußland seine Heeresreform vollendet hatte, 
beging es den Fehler, auf seine Kraft zu pochen, die erst in einigen Jahren 
gewaltig sein wird. Es fehlt ihm jetzt, um sie zu entfalten, an den not- 
wendigen Bahnstrecken. Was Frankreich angeht, so hat Herr Charles Hum- 
bert die Unzulänglichkeit seines Besitzes an Geschützen schweren Kalibers 
enthült, und es scheint eben, daß diese Waffe über das Schicksal der 
Schlachten entscheiden wird. England schließlich, das die deutsche Regie- 
rung seit zwei Jahren nicht ohne einen gewissen Erfolg von Frankreich und 
Rußland abzubringen sucht, erscheint durch seine innern Streitigkeiten in 
seinem irischen Zwist lahmgelegt. 
Am 28. Juli teilte Baron Beyens dem Minister in Brüssel mit, daß 
nach dem italienischen Botschafter die Regierungen Deutschlands und Oester- 
reich-Ungarns überzeugt seien, Rußland würde der Hinrichtung Serbiens ohn- 
mächtig beiwohnen; tags darauf, am 29., schrieb Beyens, die von Sir Edward 
Grey dem Fürsten Lichnowsky erteilte Warnung — daß keine der sechs europä- 
ischen Großmächte einem europäischen Kriege fernbleiben dürfte — könnte 
durch Verscheuchung eines Trugbildes Einfluß auf die deutsche Regierung 
haben. Am 31. Juli telegraphierte Graf Buisseret, Gesandter in Berlin, dem 
Minister in Brüssel, Deutschland weigere sich, Oesterreich-Ungarn zu ver- 
anlassen, daß es sich mit Rußland ins Benehmen setze; die Haltung Deutsch- 
lands verhindere dadurch, daß die Bemühungen Ssasonows zum Erfolg führten. 
An demselben 31. Juli telegraphierte Baron Guillaume aus Paris:
	        
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