Grohbritanzien. (Februar 15. 3.) 735
1914 dürfte nicht weit hinter 2000 Millionen Pfund (— 40 Milliarden Mark)
zurückbleiben. Großbritannien habe beträchtlich mehr aufgewendet als seine
Verbündeten, nämlich 100—150 Millionen Pfund mehr als die am nächst-
höchftren beteiligte Großmacht. Deutschland habe seine ganze Macht mobil-
gemacht, die Verbündeten nur ein Drittel der ihrigen. England habe an
Rußland bereits 32 Millionen Pfund Vorschuß gegeben, wozu noch eine
Goldverschiffung von 8 Millionen Pfund komme, so daß England bei Ruß-
land ein Guthaben von 10 Millionen Pfund habe. Rußlands weitere Be-
dürfnisse werden sich für eine beträchtliche Frist mit 50 Millionen Pfund
befriedigen lassen; diese Summe werde von England und Frankreich zu
gleichen Teilen gegeben werden. Der Goldvorrat der drei verbündeten
Großmächte sei außergewöhnlich groß. Die französische Goldreserve sei noch
nicht angerührt worden, die englische sei niemals stärker gewesen. Wenn der
britische Goldvorrat unter einen bestimmten Punkt sinken würde, so würden
die französischen und die russischen Banken zu Hilse kommen. Die russische
Anleihe von 10 Millionen Pfund sei in London überzeichnet worden.
Churchill legt sodann den Flottenetat auf den Tisch des Hauses
nieder. Er sagt: Nach sechs Monaten des Krieges, wo neue Gefahren und
Schwierigkeiten in den Gesichtskreis getreten sind, haben wir allen Grund,
zufrieden zu sein mit dem Ergebnis der für die Flotte gemachten An-
strengungen, welche, voll bemannt und ausgerüstet, sich für alle unsere
Bedürfuisse als ausreichend erwiesen hat. Es hat Zeiten gegeben, wo die
Oilfsqauellen der Flotte bis zum äußersten angespannt waren. Australische,
kanadische und indische Kontingente waren unterwegs nach Europa. Ein
mächtiges deutsches Geschwader befand sich im Stillen Ozean. Zwei kleine
demsche Kreuzer und zwei Oilfskreuzer, das ist alles, was von deutschen
Vorbereitungen zum Angriff auf die Handelsstraßen übriggeblieben ist, und
diese verbergen sich. Jetzt fordert niemand mehr Jellicoes Flotte heraus.
Was die neueste deutsche Drohung betrifft, so sehen wir uns einer
Art von Kriegführung gegenüber, wie sie noch nie von einem zivilisierten
Staat verwirklicht worden ist. Aber man darf nicht glauben, weil der Angriff
außergewöhnlich ist, daß keine Verteidigung dagegen möglich wäre. Wir er-
leiden natürlich Verluste. Aber ich glaube nicht, daß britische Lebensinter-
essen getroffen werden können. Unsere Antwort wird vielleicht nicht ganz
wirkungslos sein. Deutschland darf nicht in die Lage kommen, sein Sustem
von offenbarem Mord und Seeraub anzuwenden. Es ist aller Grund vor-
handen, anzunehmen, daß der durch dic englische Flotte verursachte wirt-
schaftliche Druck sich in Deutschland fühlbar macht. Bisher haben wir
die Einfuhr von Lebenomitteln nicht verhindern wollen. MWir haben neutrale
Schiffe nicht daran gehindert, einen direkten Verkehr mit deutschen Häfen
zu unterhalten. Wir haben ungehindert deutsche Ausfuhrartikel auf neu-
tralen Schiffien durchgelassen. Die Zeit ist aber gekommen, wo man neu
erwägen muß, ob einem Staate, der sich durch seine Politik systematisch
außerhalb aller internationalen Verpflichtungen gestellt hat, der Genuß
dieser Rechte nicht entzogen werden muß. Die verbündeten Regierungen
werden eine neue Erklärung abgeben, um den Feind jetzt mit aller Kraft
den Druck der Seemacht fühlen zu lassen.
Am 17. Februar erwidert Winston Churchill auf die Klagen, daß
die Admiralität fast ein Fünftel der englischen Handelsflotte gechartert
babe: Wir stehen im Rriege mit der zweitgrößten Seemacht der Welt.
Mir brauchen die Schiffe zur Versorgung der Flotte mit Proviant, Heiz-
material und Munition und zum Transport von Verstärkungen für die
Feldarmee und deren Versorgung mit allem Nötigen. Wir haben keine
Werften, keine Kriegshäfen zu ihrer Dockung. Die während des Krieges
Europaischer Geschichtskalender. I.VI. 47