Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1050 Niederlande. (April 9.—Juni 11.) 
9. April. Die Königin empfängt den neuen deutschen Ge- 
sandten v. Kühlmann. 
Sein Vorgänger, v. Müller, hat am 23. März einen längeren Urlaub 
angetreten. 
19. April. Versenkung der „Katwyk “ durch ein deutsches C-Boot. 
Die Regierung gibt halbamtlich bekannt: Wie wir vernehmen, hat die 
deutsche Regierung aus eigener Initiative dem Gesandten folgende Er- 
klärung gegeben: 
Weder bei der deutschen Regierung, noch bei der deutschen Marine 
besteht, wie dies selbstverständlich ist, irgendwelche Absicht, einen Angriff 
auf ein niederländisches Schiff zu machen. Sie nimmt nichtsdestoweniger 
die Möglichkeit an, daß infolge eines unglücklichen Zufalls die „Katwyk“ 
durch ein deutsches Unterseeboot in den Grund gebohrt worden ist. Sofort 
nach dem Bekanntwerden des Vorfalls ist durch die deutsche Regierung 
eine Untersuchung eingeleitet worden, und sie ersuchte die niederländische 
Regierung, die ihr über den Vorfall zugegangenen Berichte mitzuteilen be- 
züglich der Tatsachen, die nähere Aufklärung bringen könnten. Wenn die 
Untersuchung ergibt, daß die „Katwyk"“ durch ein deutsches Unterseeboot 
in den Grund gebohrt worden ist, wird die deutsche Regierung nicht zögern, 
sofort ihr aufrichtiges Bedauern auszusprechen und vollständigen Schaden- 
ersatz zuzusagen. 
Am 11. Mai teilt das „Handelsblad“ mit, daß die deutsche Regierung 
die holländische verständigt habe, sie habe nach der Vergleichung von Aus- 
sagen die Ueberzeugung gewonnen, daß die „Katwyk“ durch ein Unter- 
seeboot versenkt wurde. Der Kommandant des Unterseebootes glaubte, ein 
feindliches Schiff vor sich zu haben. Die „Katwyk“ hatte bei hereinbrechender 
Dämmerung die gebräuchlichen Kennzeichen neutraler Schiffe noch nicht 
beleuchtet, so daß sie auf der Seite, auf der das Schiff getroffen wurde, 
noch nicht unterschieden werden konnten. Die deutsche Regierung spricht 
über den Vorfall, der ganz unbeabsichtigt gewesen sei, ihr aufrichtiges Be- 
dauern aus und erklärt sich bereit, den verursachten Schaden zu ersetzen. 
4. Juni. Ein Gesetzentwurf über Erweiterung des Land- 
sturms gelangt an die Kammer. 
Der Gesetzentwurf ermöglicht es, jenen Teil des Volkes zum Kriegs- 
dienst heranzuziehen, der, obgleich er dazu imstande ist, bis jetzt nicht zu 
dem bewaffneten Dienste aufgerufen werden konnte. Hierzu kämen vor allen 
Dingen die gedienten Jahresklassen, die durch Ableistung ihres Dienstes 
von einer weiteren Militärpflicht befreit sind, die nun aber nach dem Gesetz- 
entwurf zum Landsturm herangezogen werden sollen. 
4. Juni. Das zeitweilige Ausfuhrverbot für Rohbaumwolle 
wird aufgehoben. 
10. Juni. (Zweite Kammer.) Die Vorlage betr. die Errichtung 
einer zeitweiligen Gesandtschaft am Vatikan wird angenommen. 
11. Juni. (Kammer.) Budget. 
In der Kammer werden zwei Vorlagen eingebracht. Die erste dient 
zur Erhöhung des laufenden Budgets um drei Millionen Gulden, die 
zweite zur Erhöhung des indischen Budgets um dieselbe Summe. Das Geld 
soll als erste Rate für den Bau von zwei Kreuzern und vier Unterseebooten 
zur Verteidigung Indiens verwendet werden. Die Unterseeboote werden
	        
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