Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Niederlande. (Dezember 9.—23.) 1055 
9. Dez. (Zweite Kammer.) Der Minister des Innern Cort 
van der Linden erklärt, die Neutralitätspolitik der Regierung 
habe die einmütige Unterstützung der Generalstaaten gefunden. 
Einige Gruppen im Lande seien zwar für eine andere Politik gewesen, 
daß sie aber weder in der Zweiten noch in der Ersten Kammer eine einzige 
Stimme fanden, sei Beweis genug, daß ihr Einfluß gering sei. Stark werden 
wir jedoch nur sein können, wenn nicht nur die Regierung, sondern auch 
das ganze Volk sich für die Neutralität einsetzt. Die Neutralität ist für 
Holland die vorteilhafteste Politik. Wir brauchen deshalb unsere Meinungen 
nicht zu verbergen und können unsere Sympathie mit den Verbündeten oder 
den Mittelmächten ruhig äußern. Aber es darf dabei keine Kränkung oder 
Beleidigung einer der kriegführenden Nationen vorkommen. 
Wenn die Regierung vorläufig noch nicht einen großen Teil der Wehr- 
macht demobilisiert, tut sie das, weil sie glaubt, daß der internationale 
Zustand noch immer die größte Wachsamkeit erheischt. Sobald der Zustand 
es zulassen werde, werde ein großer Teil des Heeres nach Hause geschickt 
werden. Bezüglich der Friedensvermittlung der Niederlande sagt der Minister, 
es sei verfrüht, an so etwas zu denken. Erst wenn alle Kriegführenden zu 
der Ueberzeugung gelangt sein werden, daß dem Rechte der Zivilisation 
durch den Frieden mehr gedient ist als durch den Krieg, werde für Holland 
als ein kleines Volk die Zeit gekommen sein, seine Stimme hören zu 
lassen. Die, welche an die Einberufung einer Konferenz neutraler Staaten 
dachten, unterschätzten die damit verbundenen Schwierigkeiten. Die Regierung 
habe nichts einzuberufen, und wenn er auch nicht sagen wolle, daß es bei 
den Neutralen am Wunsche nach Zusammenarbeit fehle, so könnten bei ihnen 
doch die Ansichten über die Opportunität einer derartigen Konferenz aus- 
einandergehen. 
Mitte Dez. Die mehrfachen Erörterungen, die über die Wirksam- 
keit des niederländischen Overzee-Trusts im englischen Unterhause 
in den Tagen vom 1.—13. Dezember stattfanden (s. Großbritannien 
S. 875, 878, 884), erregen zumal in den Handelskreisen Aufsehen. 
Der niederländische Overzee-Trust (Uebersee-Trust) wurde als eine rein 
privatrechtliche Handelsgesellschaft am 24. November 1914 von den ersten 
Finanz- und Reedereifirmen der Niederlande mit einem Kapital von 2,4 Mil- 
ionen Gulden gegründet, mit dem ausschließlichen Zwecke, den Niederlanden 
die ungestörte überseeische Einfuhr von Artikeln zu sichern, welche durch die 
kriegführenden Mächte zu absoluter, demnächst auch zu bedingter Konter- 
bande erklärt worden sind oder noch erklärt werden können. 
20. Dez. Die Ausfuhr von altem Papier, Wickensamen, 
Lupinensamen wird verboten. 
Zurückgezogen wird die Aufhebung des Ausfuhrverbotes für Kleesamen. 
22. Dez. Konferenz von Sozialdemokraten aus den krieg- 
führenden Ländern wegen gemeinsamer Schritte zur Erreichung 
eines baldigen Friedens. 
An der Konferenz nehmen außer niederländischen bekannte Sozial- 
demokraten aller kriegführenden Länder mit Ausnahme Italiens teil. 
23.Dez. (Zweite Kammer.) Annahme eines Gesetzes betr. Maß- 
regeln für die Niederlage und den Transport von Gütern. 
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 67
	        
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