Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1078 Norwezen. (Oktober 7.—Dezember 7.) 
Behörden abgeliefert. Die Briefpost wird durch das Haager Abkommen nicht 
geschützt, da verschiedene Kriegführende, darunter Rußland, es nicht rati- 
fiziert haben, so daß es nach Artikel 9 in dem jetzigen Kriege keine An- 
wendung findet. Die Feinde Deutschlands durchsuchen die deutsche Briefvost 
auf neutralen Schiffen mit größter Rücksichtslosigkeit und haben sie sogar 
teilweise beschlagnahmt, ohne daß, soweit bekannt, wirksamer Widersoruch 
dagegen erhoben worden wäre; Deutschland hat daher Anspruch auf das 
gleiche Recht, so daß das Vorgehen des Kommandanten nicht als völker- 
rechtswidrig angesehen werden kann. Der Einspruch der Königl. norwegischen 
Regierung, heißt es in der Note weiter, kann daher nicht als begründet an- 
gesehen werden. Dessen ungeachtet hat die Kaiserlich deutsche Regierung, 
um in möglichst großem Umfange die Interessen der neutralen Länder zu 
schonen, beschlossen, bis auf weiteres die Briefpost auf neutralen Schiffen 
unberührt zu lassen, selbst wenn sie nach einem feindlichen Lande bestimmt 
sein sollte. Uebereinstimmend hiermit hat sie die von dem Dampfer „Hakon VII." 
entfernte Briefpost ungeöffnet der deutschen Reichspostverwaltung übergeben, 
von der sie unverzüglich der norwegischen Postverwaltung zugestellt worden 
ist. Die norwegische Regierung hat nach Empfang dieser Note der deutschen 
Regierung mitgeteilt, daß sie es nicht für nötig halte, die rechtliche Seite der in 
Betracht kommenden Fragen von neuem zu erwägen, da sie mit Befriedigung 
von der praktischen Lösung Kenntnis genommen habe, welche die deutsche 
Regierung in ihrer Mitteilung an die norwegische Regierung gegeben hat. 
7. Okt. Das deutsche Oberprisengericht gab die Ladung des 
Dampfers „Wadig“ und die für den Schiffswert hinterlegte Summe 
entgegen dem Urteil der ersten Instanz frei. 
Siehe Näheres Beck'sche Chronik des Deutschen Kriegs Bd. VIII S. 252f. 
14. Okt. Storthingwahlen. 
Es werden insgesamt 597000 Stimmen abgegeben, hiervon 222000 in 
Stadtkreisen und 375000 in Landkreisen. Für die Regierungspartei werden. 
198 652, für die Sozialisten 188 082, für Rechte und Freisinnige 166 151 
und für die Arbeiter-Demokraten 26388 Stimmen abgegeben. Der Stimm- 
zuwachs gegen die letzte Wahl vom Jahre 1912 beträgt bei den Sozialisten 40%, 
für die Regierungspartei 15% und für Oppositionelle und Rechte 5%. 
64 Stichwahlen sind notwendig, hauptsächlich zwischen der Regierungsparteei 
und Sozialisten. Gewählt sind 30 Abgeordnete der Regierungspartei, 9 der 
Rechten, 13 Sozialisten und 2 Arbeiter-Demokraten. Die Rechte hat eine 
starke Niederlage erlitten. 
26. Okt. Der Minister für Kirchen= und Schulwesen Bryggesoa. 
tritt krankheitshalber zurück und wird durch Loebland ersetzt. 
3. Nov. Das neue Storthing setzt sich nach den Stichwahlen 
wie folgt zusammen: 22 Rechte, 77 Linke (radikale Regierungspartei), 
19 Sozialdemokraten und 4 Unabhängige. 
3. Dez. Der Staatsrat erläßt eine vorläufige Verordnung 
betreffend ein Verkaufsverbot für Schiffe ins Ausland. 
7. Dez. Ein Ausschuß wird eingesetzt zur Ausarbeitung eines 
Gesetzentwurfs, der den Handelsverkehr mit fremden Mächten, so- 
weit dadurch Störungen in der Auslandspolitik der Regierung 
herbeigeführt werden könnten, unter Strafe stellt.
	        
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