Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

738 Großbritannien. (Februar 28. März 1.) 
28. Febr. (Unterhaus.) Interpellation Jowett über die 
Unterhandlungen mit Deutschland vor Kriegsausbruch. 
Jowett (Arbeiterpartei) fragt den Staatssekretär Grey, warum er. 
trotzdem er die Abmachungen des französisch-russischen Bündnisses nicht 
kannte, der französischen Regierung nicht mitgeteilt habe, daß Frankreich 
nicht von Deutschland angegrisfen werden würde, wenn seine Neutralität 
von Großbritannien garantiert werde (s. unterm 13. Februar). Grey verweist 
Jowett auf Nr. 105 des britischen Weißbuches, woraus hervorgehe, daß die 
britische Regierung, obwohl sie die Abmachungen des französisch-russischen 
Bündnisses nicht kannte, doch wußte, daß die französische Regierung keine 
neutrale Haltung einnehmen könne, wenn Rußland durch Deutschland und 
Oesterreich-Ungarn angegriffen werden sollte. Die französische Regierung habe 
schon im voraus am 30. Juli erklärt, daß ein Vorschlag, wie er zwei Tage 
später tatsächlich von Deutschland gemacht wurde, ganz unannehmbar wäre. 
„Abgesehen davon“, fährt Grey fort, „dachte ich, daß dieses europäische Bünd- 
nis, gleichgültig ob Zweibund oder Dreibund, für die eine Macht die Ver- 
pflichtung enthalte, der anderen Macht beizustehen, besonders wenn diese 
eine Macht durch zwei andere Mächte angegriffen wird." 
Jowett fragt sodann, ob die von Churchill in einem Interview 
im „Matin“" ausgesprochene Absicht, daß Großbritannien bis zum bitteren 
Ende kämpfen werde, wenn Frankreich und Rußland sich von der Teil- 
nahme am Kriege zurückzögen, mit Einwilligung und Billigung der Re- 
gierung verössentlicht worden sei. Asquith antwortet, Churchill erklärt in 
diesem Interview auch, daß er sich einen solchen Fall gar nicht vorstellen 
könnte. Ich stimme ihm absolut bei und habe keine Ursache, von den An- 
sichten, die er in dem Interview geäußert hat, abzuweichen. 
1. März. Neue Kriegskreditvorlage. 
Premierminister Asquith bringt die neue Kriegskreditvorlage 
ein, in Höhe von 37 Millionen Pfund auf Rechnung des Jahres 1914 15 und 
250 Millionen Pfund Sterling auf 1915 16. Er erinnert in der Begrün- 
dung daran, daß das Haus bis jetzt folgende Kriegskredite bewilligt habe: 
100 Millionen Pfund Sterling am 6. August und 225 Millionen Pfund Ster- 
ling am 15. November. Diese Summe von zusammen 325 Millionen Pfund 
Sterling reiche aber noch nicht aus, um die bis zum 31. März entstehen- 
den Kriegskosten zu decken, und er fordere daher einen Ergänzungkredit 
von 37 Millionen Pfund Sterling. Bis jetzt seien für Heer und Flotte 
275 Millionen Pfund Sterling ausgegeben worden; 38 Millionen Pfund 
Sterling betrügen die Kriegskosten der selbständigen Dominions, Kron- 
kolonien und Schutzgebiete. An Belgien sei ein Vorschuß von 10 Millionen 
Pfund Sterling, an Serbien ein solcher von 800000 Pfund Sterling ge- 
währt worden. Weitere Vorschüsse an diese Verbündeten stünden zur Ver- 
handlung, Einzelheiten darüber könne er vor der Oeffentlichkeit nicht an- 
geben. Der Rest von rund 28 Millionen Pfund Sterling komme auf ver- 
schiedene, noch nicht im einzelnen angeführte Ausgaben. 
Im weiteren führt Asquith aus: Die täglichen Kosten für Heer und 
Flotte belausen sich auf 1 ½ Millionen Pfund Sterling mehr als im Frieden, 
von denen etwa ein Fünftel durch die selbständigen Dominions, Kron- 
kolonien usw. dem Reiche vergütet wird. Die Ausgaben sind aber täglich 
gestiegen, und vom 1. April ab wird man mit über 1.7 Millionen Pfund 
Sterling täglich mehr rechnen müssen, als in Friedenszeiten erforderlich 
sind. In runder Summe sind vom 1. April ab täglich 2 Millionen Pfund 
Sterling an Kriegskosten erforderlich, wovon etwa 400000 Pfund Sterling
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.