Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1084 Nukland. (Februar 9.) 
Bajonetten bewaffnet habe, stehe nach sechs Kriegsmonaten immer noch 
aufrecht, stark und unerschüttert da, beseelt von einem einzigen und un- 
geteilten Willen. Rußland mache die Absichten und Anstrengungen seines 
mächtigen, verschlagenen Feindes zu schanden. Gleich einem Felsen im 
brüllenden Meere, 65“ halte die russische Armee stand, während die tapfere 
Flotte ohne Aufheben an dem großen Werk der Verteidigung des Vater- 
landes tätig sei. Weiter sagt der Präsident: Gott wollte unser Geschlecht 
zum Zeugen des größten Weltkampfes machen zwischen zwei entgegen- 
gesetzten Grundsätzen, dem des Friedens der Völker und des Rechts auf 
der einen Seite und dem des gierigen Militarismus und der groben Ge- 
walt auf der anderen Seite. Rußland wollte und suchte diesen Krieg nicht, 
aber nachdem dieser Kampf nun einmal eingesetzt hat, sollen die Feinde 
wissen, daß wir vor keinen Opfern zurückschrecken. Wir stehen nicht allein 
in dem großen Kampfe. Serbien und Montenegro kämpfen mit uns; sie 
geben einen Beweis für den Triumph des Geistes über grobe Kraft. Das 
tapfere belgische Volk ist als erstes in den Kampf eingetreten, indem es 
sich nicht um den Ruin gekümmert hat und unerhörte Leiden aushielt. 
Belgien setzt den Kampf auch heute noch fort. Die Duma grüßt begeistert 
den Gesandten Belgiens, unseren treuen und erprobten Freund, und das 
große Frankreich, das von neuem gegen den Erbfeind kämpft und eine 
bewunderungswürdige Tapferkeit zeigt. Ruhm den Helden und Ruhm 
unseren treuen Freunden! In diesem Ringen brauchten wir starke und 
kräftige Verbündete, und in der Tat kämpft das edle und mächtige Eng- 
land für eine gerechte Sache. (Lebhafte Huldigungen für den Botschafter 
Englands.) Der Präsident hebt dann hervor, daß alle Bemühungen der 
Feinde, die dahingingen, Zwietracht zwischen den Verbündeten zu säen, 
erfolglos bleiben. Der Horizont des Dreiverbandes sei rein und wolkenlos. 
Die Duma entbiete ihren Gruß den Botschaftern Frankreichs und Eng- 
lands. Auch das japanische Volk, ein Freund von Recht und Gerechtig- 
keit, kämpfe mit Rußland zusammen. (Beifall zu Ehren des japanischen 
Botschafters.) 
Der Präsident betont dann, daß das russische Volk in dem gegen- 
wärtigen Kriege einen Prozeß durchmache, wie ihn die Weltgeschichte noch 
nicht kenne. Der weise Erlaß des Kaisers heilt sein Volk von dem 
Uebel, das seine Kraft untergräbt und führt es auf den Weg erleuchteter 
Mäßigung. Der Präsident schließt seine Rede mit den Worten: Dieser 
Krieg muß ein siegreicher sein. Wir werden kämpfen, bis die Feinde die 
Friedensbedingungen annehmen, die wir ihnen diktieren werden. — Die 
gesamte Duma bereitet dem Präsidenten begeisterte Huldigungen. 
Nach der Ansprache des Präsidenten Rodzianko ergreift Minister- 
präsident Goremykin das Wort und sagt: Jetzt, da sich der glückliche 
Ausgang des Krieges immer klarer abzeichnet, setzt sich der tiefe Glaube 
des russischen Volkes an den endlichen Triumph in Sicherheit um. (Rufe: 
Es lebe unser Heerl) Der heroische Stolz Rußlands ist allen Verlusten 
zum Trotz so stark wie niemals bisher. Seine Macht nimmt immerfort 
zu, die Taten unserer Truppen und die wertvollen Dienste unserer Ver- 
bündeten, die große Anstrengungen machen, um den Feind niederzuschlagen, 
der schon schwächer wird, bringen uns jeden Tag dem ersehnten Ziele 
näher. Die feste Eintracht aller Russen, die der Krieg hervorrief, ist nach 
der Eroberung von Galizien, das die letzte Blüte war, die an der lebens- 
vollen Krone des Zaren gefehlt hat, stärker geworden. Nicht weniger er- 
baulich ist die brüderliche Annäherung zwischen dem russischen und dem 
polnischen Volke, das ohne Murren die Prüfungen erträgt, die ihm auf- 
erlegt sind. Gleichzeitig wird die Anziehungskraft der slawischen Stämme
	        
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