1088 Rußland. (Februar 9.)
diesem Werke trägt jeder der Verbündeten sein Teil bei, indem sie sich
gegenseitig energisch unterstützen. Die Verbündeten haben die Anstrengungen
Rußlands bewundert, das unzählige Bataillone in den Kampf mit den
vorerwähnten drei Reichen auf einer ungeheueren Front entsandte. Unserer-
seits schätzen wir ungeheuer die beispiellose Tapferkeit der Verbündeten;
wir geben uns vollkommene Rechenschaft von dieser Unterstützung zu Lande
und zu Wasser. Ich erwähne noch Belgien, das heldenhafte, dessen Taten
und Leiden ihm unsterblichen Ruhm eintragen. Ich benütze auch die Ge-
legenheit, inmitten der Vertreter des Landes unseren Verbündeten herz-
lichen Dank für ihre tätige Hilfe auszusprechen. Unser enges Bündnis hat
noch eine andere wichtige Bedeutung und hat sich neulich erweitert durch
die Nachricht der finanziellen und wirtschaftlichen Entente, deren Bedeutung
für die Erfüllung unserer komplizierten Probleme Ihnen nicht entgebhen
wird. Es geht aus dieser Entente Rußlands mit seinen Verbündeten her-
vor, daß sie den Kampf mit Deutschland in dem definitiven Entschluß
weiterführen, ihn zu einem guten Ende zu bringen.
Nach Ssasonow sprach Miljukow im Namen der parlamentarischen
Fraktion der Kadetten: Wir sind überzeugt, daß für die Erfüllung unserer
Hauptaufgabe, die Erwerbung der Meerengen und Konstanti-
nopels, rechtzeitig die nötigen diplomatischen und militärischen Sicher-
heiten gestellt werden.
Alsdann kamen Redner der Progressisten, der Oktobristen, des Zen-
trums und der Nationalisten zu Wort; sie betonen, daß Rußland den
germanischen Militarismus bekämpfe und die Ideen der Menschenliebe,
der Humanität und des Rechtes verteidige. Ein vorzeitiger Friedensschluß
würde ein Verbrechen gegen das Vaterland und die Menschheit sein; Ruß-
land sei bereit zu jedem Opfer, bis Deutschland gänzlich niedergeworfen sei.
Erst später wird über Stockholm die in allen offiziellen Berichten über
die Sitzung unterdruckte Erklärung des sozialdemokratischen Abgeordneten
Tscheidse bekannt, die lautet: Schon bei Kriegsausbruch hatte die sozial-
demokratische Partei ausgesprochen, daß sie zu der Regierung kein Ver-
trauen hegen könne, und die sechs Monate, die seitdem vergingen, haben
gezeigt, daß sie richtig geurteilt hatte. Die fürchterlichen Folgen des Krieges
sind in Rußland durch die Politik der Regierung verschärft worden. Diese
begann sofort den Versuch, durch reaktionäre Maßnahmen ihre untergrabene
Stellung zu befestigen. Wie gewöhnlich ging es über die fremden Nationali-
täten her. Während man den Polen Versprechungen machte, wurde der
Druck gegen Finnland noch stärker, wurden die Juden verfolgt, und sogar
in dem besetzten Galizien griff man gegen die Kleinrussen ein. In anderen
Ländern tut man alles, um den Notstand zu lindern, den der Krieg her-
vorruft, in Rußland dagegen werden die sozialdemokratischen Bersamm-
lungen, die den Notstand erörtern wollen, gesprengt und die Blätter der
Sozialdemokratie unterdrückt. Den Höhepunkt dieser Verfolgungen bildet
die Verhaftung der fünf Dumamitglieder und ihrer Genossen. Wir pro-
testieren vor ganz Europa gegen diese Verfolgung.
Die Regierung wendet sich nur an die Duma, wenn sie überzeugt
ist, alles nach ihrem Willen zu bekommen. Die Kriegsanleihe durch Papier-
geldausgabe und die Vermehrung der indirekten Steuern ist durch Ukas
vorgenommen worden und wird nicht vorgelegt. Die Sozialdemokratie wird
wie bisher zum Kampf für Rußlands innere Freiheit aufrufen. Im übrigen
will die Fraktion erklären, daß sie in Uebereinstimmung mit den Aus-
lassungen auf der Kopenhagener Konferenz sobald wie möglich beginnen
wird, für die Beendigung des Krieges zu arbeiten und für einen Frieden,
der den Willen sämtlicher in den Krieg hineingezogener Nationen ausdrückt.