1132 Rußland. (September 16.—20.)
Die Räumung kriegsgefährdeter Gebiete von der Zivilbevölkerung hat
zu einer schweren Behinderung militärischer Transporte geführt. Ich ordne
daher an, daß bei künftigen Räumungen nur für die Kriegsbereitschaft
wesentliche Gegenstände fortgeschafft werden, jeder sonstige Besitz aber un-
angetastet bleibt. Ich erinnere an die Allerhöchste Verordnung, wonach
Privatpersonen, soweit sie nicht Männer im militärpflichtigen Alter sind,
keinesfalls gegen ihren Willen auszusiedeln sind, und verfüge außerdem,
daß einer gewünschten Aussiedelung nur ausnahmsweise stattzugeben ist.
16. Sept. Ein kaiserlicher Ukas ordnet die Vertagung der
Duma bis spätestens November an.
16. Sept. Schlußsitzung der Duma.
Am Vormittag wird ein Seniorenkonvent abgehalten, in dem der
Sekretär der Duma nach einer scharfen Rede gegen die Regierung einen
Krampfanfall bekommt. Bei der Verlesung des Vertagungsukases in der
Vollsitzung verlassen die Sozialisten, die Mitglieder der Bauerngruppe und
die Progressisten ostentativ den Saal, mit dem Rufe: „Warten Sie, bis
wir hinaus sind. Dann lesen Sie weiter!“ In Privatsitzungen nach dem
offiziellen Schluß kommt eine außerordentlich niedergedrückte Stimmung
zum Ausdruck. Die Kadettenpartei beschließt, ihre Mitglieder nicht aus
den Kommissionen herauszunehmen, bevor der Block gemeinsame Beschlüsse
gefaßt habe. Der Sozialist Tscheidse und der Bauernführer Kerenski
verlassen die Sitzung mit der Erklärung, daß jetzt der Kampf ins Volk
getragen werden müsse. Alle Fraktionen beschließen, in Petersburg ver-
sammelt zu bleiben.
16. Sept. (Moskau.) Der sozialdemokratische Abgeordnete
Tscheidse und 17 weitere Dumamitglieder werden polizeilich fest-
genommen und sämtliche Bahnhöfe militärisch besetzt.
19. Sept. (Petersburg.) Es finden Arbeiterversamm-
lungen statt, in denen die Bildung einer großen Arbeiterorganisation
der Berufsverbände und Fachvereinigungen beraten wird.
20. Sept. Reaktionäre Gegendemonstrationen.
Die rechte Gruppe des Reichsrats erläßt als Antwort auf die For-
derungen des Blocks eine Kundgebung, wonach alle liberalen Reformen mit
Rücksicht auf den Krieg aufgeschoben werden müssen.
Eine Zusammenkunft monarchistischer Organisationen in Saratow
beschließt ein Telegramm an die Regierung mit der Forderung der Duma-
auflösung. Der Vorsitzende dieser Versammlung, ein Herr Tichanowiltsch-
Savizki, sagte u. a.: „Wir befinden uns vor der Wiederholung der Ereignisse
von 1905. Die revolutionären Banden, die in der Duma ihre Sitzungen
haben, usurpieren von Tag zu Tag die kaiserliche Selbstherrschaft. Ver-
schiedene Herren, wie Miljukow, Kerenski, Tscheidse u. a., fordern ein ver-
antwortliches Ministerium. Sie wollen den Judenspionen dieselben Rechte
geben wie dem russischen Volke.“
20. Sept. (Moskau.) Allrussischer Kongreß der Städteverbände.
Es werden folgende Forderungen aufgestellt: 1. unmittelbare Ein-
berufung der Duma; 2. Bildung eines nationalen Ministeriums, das das
Vertrauen des Landes besitzt; 3. politische und religiöse Amnestie; 4. gleiche
Rechte für alle Rußland bewohnenden Nationalitäten.