Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Rußland (September 21.—Oktober 3.) 1133 
21. Sept. (Moskau.) Magistrat und Semstwos nehmen ein- 
stimmig eine Resolution an, daß es im Augenblick in erster Linie dar- 
auf ankomme, daß Einmütigkeit zwischen der Regierung und dem 
Volke herrsche und die Regierung das Vertrauen des Volkes besitze. 
Die Unterbrechung der Duma dürfe nur so kurz wie möglich sein. 
Das Volk dürfe die nationale Arbeit nicht aufgeben, die jetzt wichtiger als 
je zuvor sei. Die Resolution ist von dem ersten Bürgermeister Tschelnukow 
unterzeichnet und an allen Straßenecken der Stadt angeschlagen. 
W. Sept. Aufhebung des Ausfuhrverbots nach den Ver. Staaten. 
25. Sept. (Moskau.) Alle Fabriken stellen den Betrieb ein. 
Der Stadtpräsident und der Bürgermeister veröffentlichen einen Auf- 
ruf, in dem sie die Arbeiterschaft flehentlich zur Vaterlandsliebe ermahnen, 
gleichzeitig aber die strengsten Strafen androhen, wenn die Arbeit und der 
Verkehr nicht wieder ausgenommen werden. Die Zeitungen erscheinen nicht. 
Der Straßenbahnverkehr ist wegen des Ausstandes eingestellt. Der Erz- 
bischof warnt die Bevölkerung vor Fortsetzung der Unruhen. 
30. Sept. (Reichsrat.) Wahl von je zwei Vertretern der 
Industrie und des Handels. 
Es werden gewählt der Oktobrist Gutschkow, der Fortschrittler Rjabu- 
schinski, der Kadett Laptiec und der Liberale Weinstein. Alle Gewählten 
sind Anhänger des liberalen Blocks. 
30. Sept. Eine militärische Sondermission mit Divisionsgeneral 
d'Amade an der Spitze ist im Kaiserlichen Hauptquartier aus 
Frankreich eingetroffen. 
D'Amade wurde am gleichen Tage vom Kaiser empfangen und zur 
Kaiserlichen Tafel zugezogen. 
1. Okt. Das Moratorium wirdaufein weiteres Jahr verlängert. 
1. Okt. Großfürst Nikolai erläßt folgenden Tagesbefehl an die 
zum größten Teil aus Doner Kosaken bestehende Kaukasusarmee: 
Trotz mancher Rückschläge ist der Glaube der Kosaken an den Sieg 
nicht schwächer geworden. Ihr seid dieselben wie im Mai 1914, als ich, 
in Voraussicht des Krieges gegen Deutschland, die Truppen be- 
sichtigte und feststellen konnte, daß Euer Blut noch nicht dünner geworden 
ist, daß Ihr es noch immer gut versteht, den Feind zu schlagen. 
3. Okt. Der russische Gesandte in Sofia wurde beauftragt, dem 
Ministerpräsidenten Radoslawow folg. Ultimatum zu überreichen: 
Die Ereignisse, die sich gegenwärtig in Bulgarien abspielen, bezeugen 
den endgültigen Entschluß der Regierung des Königs Ferdinand, das Schicksal 
des Landes in die Hände Deutschlands zu legen. Die Anwesenheit deutscher 
und österreichischer Offiziere im Kriegsministerium und bei den General- 
stäben der Armee, die Zusammenziehung der Truppen in den an Serbien 
stoßenden Gebietsteilen und die weitgehende finanzielle Unterstützung, welche 
das Kabinett in Sofia seitens unserer Feinde annahm, lassen keinen Zweifel 
mehr über das Ziel der gegenwärtigen militärischen Vorbereitungen der 
bulgarischen Regierung zu. Die Mächte der Entente, die sich die Verwirk- 
lichung der Bestrebungen des bulgarischen Volkes hatten angelegen sein 
lassen, machten Radoslawow zu verschiedenen Malen darauf aufmerksam, daß
	        
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