Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Rußland. (Anfang Dezember—13.) 1143 
Kulis in den Kohlengruben und metallurgischen Unternehmungen 
ganz Rußlands unter Aufhebung der bestehenden Paßvorschriften. 
Anf. Dez. Die Kadettenpartei und die Lösung der polnischen 
Frage. 
Ein Artikel des „Rjetsch“, des Organs der Kadetten, bespricht die 
polnische Frage und sagt: „Die neueste Formel, die im „Goloß" im Namen 
der Polen mitgeteilt wird, erschöpft sich in der Behauptung, diejenigen, 
die die Frage der zukünftigen Gestaltung Polens aufwerfen, entziehen damit 
schon die Lösung der polnischen Frage der Erörterung, „denn die zukünftige 
Gestaltung Polens ist eine innere Angelegenheit der Polen selbst, wenn erst 
einmal die polnische Frage grundsätzlich gelöst sein wird.“ Wir müssen 
zugeben, daß von diesem Gesichtspunkt aus unsere Gesinnungsgenossen die 
Lösung der polnischen Frage niemals zur Beratung gestellt haben, denn 
die Partei hat immer vorausgesetzt und dies auch in ihrem Programm 
ausgesprochen, daß der Begründungsakt der zukünftigen Gestaltung Polens 
von der russischen gesetzgebenden Behörde erlassen werden muß — was 
natürlich die volle Freiheit des weiteren inneren Ausbaues innerhalb der 
Schranken des Begründungsaktes nicht ausschließt. Zu einer Korrektur 
dieses Beschlusses können uns am allerwenigsten unsere zeitweiligen mili- 
tärischen Mißerfolge veranlassen." 
7. Dez. Der Termin der Wiedereinberufung der Duma wird 
neuerdings hinausgeschoben. 
Der Zar richtet an den Präsidenten des Reichsrats und an den Vor- 
sitenden der Duma zwei gleichlautende Mitteilungen folgenden Inhalts: 
Wegen der durch den Rrieg geschaffenen Verhältnisse kann der Etat für 
1916 durch den Finanzminister nicht ausgestellt und der Kammer innerhalb 
der gesetzlichen Frist nicht vorgelegt werden. Gleichzeitig gestattet der Lauf 
der Arbeiten des Finanzausschusses des Reichsrates und der Duma es 
nicht, auf eine Fertigstellung ihrer Arbeiten rechnen zu können. Unter diesen 
Umständen würden die beiden Kammern, wenn sie an dem Tage, der durch 
Ukas vom 12. September festgesetzt wurde, einberufen würden, nicht sofort 
zur Prüfung des Etats schreiten können. Um nun den Ausschuß des Reichs- 
rates und der Duma in den Stand zu setzen, ihre vorbereitenden Arbeiten 
für die Wiederaufnahme der Beratungen in den Kammern fertigzustellen 
und ihre Beschlüsse dem Reichsrat und der Duma vorzulegen, habe ich 
befohlen, die Einberufung der gesetzgebenden Kammern zu vertagen. 
7. Dez. Der Verweser des Ministeriums des Innern Chwostow 
ist zum Minister des Innern ernannt worden. 
10. Dez. Das Fest des St. Georgsordens wird im Kaiserl. 
Hauptquartier begangen, wobei der Zar eine Ansprache hält. 
11. Dez. (Dünaburg.) Das Kriegsgericht spricht das Urteil 
in der Verhandlung über den Kommandanten der Festung Kowno. 
Er wird unter Annahme mildernder Umstände zum Verluste aller 
militärischen Ehren und persönlichen Rechte, sowie des Adels und zu fünf- 
zehnjähriger Zwangsarbeit verurteilt, weil er die Ordnung in der Festung 
nicht aufrechterhalten und die Festung zu früh verlassen habe. 
13. Dez. (Moskau.) Kongreß der echtrussischen Leute. 
In einer Entschließung fordert der Kongreß die völlige Enteignung 
alles deutschen Eigentums, die Beschlagnahme alles Eigentums der Sek-
	        
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