Türkei. (Mai 28.—Juni 4.) 1151
Die Wehrpflicht, die für die Infanterie und den Traindienst 25
Jahre, für die übrigen Waffen der Landarmee jedoch 20 Jahre und für
die Marine nur 17 Jahre betrug, beginnt danach für alle Waffen der
Landarmee und für die Marine mit dem vollendeten 18. Lebensjahre
(14. März nach dem vollendeten 18. Jahre) und endet mit dem vollendeten
45. Lebensjahre (14. Oktober nach dem vollendeten 45. Jahre).
Die 18- und 19jährigen können nur im Kriegsfalle auf Grund einer
Kaiserlichen Verordnung einberufen werden. Die Dienstpflicht beginnt mit
dem vollendeten 20. Lebensjahre und dauert 20 Jahre (hiervon 2 Jahre
aktive Dienstpflicht) für die Infanterie und die Trainmannschaft, 18 Jahre
(hiervon 3 Jahre aktive Dienstpflicht) für die übrigen Waffen der Landarmee
sowie für die Gendarmerie und die Musik und 10 Jahre (hiervon 5 Jahre
aktive Dienstpflicht) für die Marine. Die Landsturmpflicht bei allen Waffen
dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, wobei die in den Landsturm
eingereihte Marinemannschaft als Landsturm der Infanterie betrachtet wird.
28. Mai. Die Kaiserl. Ottomanische Regierung ließ den be-
freundeten und neutralen Staaten eine Zirkularnote zugehen, worin
sie ankündigt, daß sie sich genötigt sehe, die Feindseligkeiten auf den
Suezkanal auszudehnen.
Die Note motiviert dies damit, daß die englische Regierung ihrer
durch die Bestimmungen der Konvention von 1888 übernommenen Ver-
pflichtung, in den Gewässern des Suezkanals kein Kriegsschiff zu halten,
nicht Rechnung getragen habe, vielmehr den Strand befestigte, und daß
die französische Regierung Truppen in Aegypten landete, und fügt bei,
daß, wenn daraus Beeinträchtigungen der Neutralen entstünden, dafür die
Verantwortlichkeit auf die englische und französische Regierung füällt.
3. Juni. Das Amtsblatt veröffentlicht ein Gesetz, wodurch
während der Kriegsdauer die Einfuhrzölle, die gegenwärtig 11
vom Hundert betragen, auf 30 vom Hundert erhöht werden.
Bei Waren, welche die Militärverwaltung als notwendig bezeichnen
wird, wird die Hälfte der Zölle in natura erhoben.
4. Juni. Amtliche Erklärung über die angeblichen Morde in
Armenien.
Die „Agence Havas“ hat am 24. Mai dieses Jahres folgende von
den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands im gegen-
seitigen Einverständnis beschlossenen Erklärungen veröffentlicht:
Seit ungefähr einem Monat begeht die türkische und kurdische Be-
völkerung Armeniens unter Duldung und oft mit Unterstützung der
osmanischen Behörden Massenmorde unter den Armeniern. Solche
Massenmorde haben um die Mitte des April in Erzerum, Terdschan,
Eguin, Bitlis, Musch, Sassun, Zeitun und in ganz Kilikien statt-
gefunden. Die Einwohner von ungefähr hundert Dörfern in der Um-
gebung von Wan sind alle ermordet und das armenische Viertel ist
von den Kurden belagert worden. Zur selben Zeit hat die osmanische
Regierung gegen die wehrlose armenische Bevölkerung in Konstantinopel
gewütet. In Anbetracht dieses neuen Verbrechens der Türkei gegen
Menschlichkeit und Zivilisation geben die alliierten Regierungen der
Hohen Pforte öffentlich bekannt, daß sie alle Mitglieder der türkischen
Regierung sowie diejenigen ihrer Beauftragten, die an solchen Massen-
morden beteiligt sind, in Person verantwortlich machen.
Europäischer Geschichtskalender. LUVI. 73