Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1160 Türkei. (Oltober 5.) 
hand. Den Franzosen und Engländern gelang es bisher nicht, ihre Auf- 
gabe zu erfüllen trotz der furchtbaren Mittel, über die sie verfügten. Es 
wird auch fernerhin unmöglich sein, in ihrem Unternehmen Erfolg zu haben. 
Da die Zeitungen Einzelheiten über den Heldenmut und die Opferwilligkei: 
der türkischen Soldaten schon gegeben haben, so ist es überflüssig, darüber 
wieder zu sprechen. Während der Dardanellenschlacht blieb der türkische 
Soldat mit der Waffe in der Hand unerschütterlich unter dem feindlichen 
Artilleriefeuer von zwanzig= bis dreißigfacher Uebermacht, erwartete lächelnd 
den Angriff des Feindes und brachte ihn schließlich zum Zusammenbruch. 
Nach unseren Berechnungen benutzte der Feind ungefähr 500000 Mann für 
seine Angriffe. Ungefähr die Hälfte dieser Zahl liegt aus Gallipoli begraben. 
der Rest ist verwundet zurückgekehrt. 
Wir erfahren, daß ein neues Ereignis die schon erschütterte Loffnung 
des Feindes vernichtet hat, der schon einen Teil seiner Kräfte zurücknimmt. 
Wie ich Ihnen schon sagte, war es uns unmöglich, auf allen unseren 
Grenzen gleich stark zu sein, da nur das Endziel dieses Krieges für uns 
in Betracht kommt. Sonst hätten wir keinen Erfolg erzwingen können. Aus 
diesem Grunde wurden einige Gebiete des Reiches dem feindlichen Einbruch 
ausgesetzt, aber ich kann mit Ueberzeugung behaupten, daß wir vor Friedens- 
schluß den Feind aus diesen Gebieten vertreiben und ihn weit über unsere 
Grenzen zurückdrängen. 
In einigen Tagen wird das Jahr vollendet sein, in welchem wir in 
den Krieg eintraten. Die von der ganzen Nation bezeugte Vaterlandsliebe 
geht weit über die höchsten Erwartungen. Dank dieser Vaterlandsliebe war 
die Nation imstande, eine ihrer würdige Armee aufzustellen. Um Ihnen 
ein Bild zu geben, kann ich sagen, daß die Zahl der von uns ausgehobenen 
Mannschaften zwei Millionen übersteigt. Die feindlichen Länder rufen 
Jahresklassen zu den Fahnen ein, die viele Jahre später erst einberufen 
werden sollten. Wir dagegen arbeiten mit den gesetzmäßigen gewohnten 
Jahresklassen unserer Armee, die bisher viele schwere Prüfungen über- 
standen hat und ihre Stärke und Tapferkeit bewahren wird. Sie wird das 
erste Element sein, das uns den endlichen Erfolg bringen wird. 
Der Präsident Halil Bei hat ausgesprochen, was den verbündeten 
Heeren nottut. Heute kann nichts den deutschen und österreichischen Schwertern 
widerstehen. Gegenwärtig kämpfen die drei verbündeten Heere siegreich gegen 
acht verbündete. Mit Gottes Hilfe werden sie den Endsieg erringen. 
Da das, was von den Balkankriegen übrig blieb, unbedeurend war, 
und andererseits unsere Verbindungen nach außen abgeschnitten waren, be- 
gnügten wir uns selbst mit den Erzengnissen unseres Landes. Ich teile 
Ihnen mit, daß die Unterbrechung der Verbindung, die keine Gefahr be- 
deuten würde, selbst wenn sie andauerte, schließlich verschwinden wird. 
Infolgedessen wird der Bedarf unseres Heeres an Waffen und Munition 
und Sonstigem sichergestellt werden. Die Armee wird stärker ausgerüßtet 
und bewaffnet sein. Die heldenhaften Gefühle, die der Sultan an den Tag 
gelegt hat, gaben dem Heere eine solche Kraft und ebenso der Flotte, daß 
wir sicher sind, mit Gottes Hilfe den Sieg auf allen Seiten zu erringen 
und das Ziel zu erreichen, das wir gegenwärtig verfolgen. Jeder einfache 
Soldat weiß, daß er sich nicht nur für 30 Millionen Türken schlägt, sondern 
für das Lebensrecht von 300 Millionen Mohammedanern. Ich bin sicher. 
ebenso wie meine vom gleichen Arbeitseifer beseelten Kollegen, daß Gottes 
Hilfe uns ferner zuteil werden wird, der uns den Sieg geben wird. 
Die Rede wird vielfach vom Beifall der ganzen Versammlung unterbrochen. 
Nach diesen Reden nehmen einige Abgeordnete das Wort. Ein kur- 
discher Abgeordneter betont die Vaterlandsliebe der mohammedanischen
	        
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