Bulgaritn. (Oltober 12.) 1181
es wörtlich — sich an Deutschland zu wenden und sein Schicksal mit dem
Schicksal Deutschlands zu verknüpfen. Es fragt sich nun, ob dies möglich und
für Bulgarien annehmbar und nützlich ist. Deutschland benötigt vor allem
Freunde und treue Verbündete und zwar nicht nur jetzt während des Krieges,
sondern auch nach dem Kriege, da mit dem Abschluß des Friedens der wahre
Frieden noch nicht hergestellt sein, sondern im Gegenteil eine fieberhafte Kriegs-
vorbereitung noch weiter stattfinden wird, da derselbe Krieg jeden Moment
wieder anfangen kann. Die Griechen und Rumänen haben sich als sehr
untreue Freunde und Verbündete erwiesen, und Deutschland dürfte kaum
in nächster Zeit mit ihnen einen Bund schließen. Die Türkei genügt Deutsch-
land nicht; darum wäre es im Interesse Bulgariens und Deutschlands, daß
sie beide ein Bündnis schließen. Wir haben schon gesehen, daß Bulgarien
in wirtschaftlicher Beziehung mit Deutschland eng verbunden ist und dieses
durch die Tat bewiesen hat, daß es den wirtschaftlichen Ausschwung unseres
Landes wünscht. Wenn dies so ist, so versteht es sich von selbst, daß Deutsch-
land auch unsere friedliche und sichere wirtschaftliche und politische Entwick-
lung wünscht, da Handel und Industrie sich ja nur dann entwickeln können,
wenn die friedliche und sichere politische Lage gegeben ist. Die Interessen
Bulgariens stimmen zurzeit mit den deutschen Interessen vollkommen über-
ein und kreuzen sich nirgends. Weil sich Deutschland andererseits als ein
so treuer Verbündeter gezeigt hat, auf den man bauen kann, weil es uns
ganz Mazedonien verspricht und noch wertvollere Kompensationen für unser
Eingreifen gegen Serbien, weil die rechtzeitige Verwirklichung der bulgari-
schen Ideale nur möglich ist, wenn wir die Neutralität preisgeben, weil es
wünschenswert ist, daß Bulgarien nach Mazedonien geht, bevor der letzte
Bulgare im Blut erstickt worden ist, müssen wir die Neutralität preisgeben,
unser Schicksal an dasjenige Deutschlands und Oesterreich-Ungarns knüpfen,
die uns so schützen werden, wie jetzt Rußland Serbien beschützt, uud gegen
Serbien ziehen, um unsere Brüder, die unter dem unerträglichen Schee
seufzen, von der Knechtschaft zu befreien.“
Die Denkschrift schließt: „Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß
die Neutralität uns bis jetzt Vorteile gebracht hat, daß wir aber durch sie
allein die nationale Einigung nicht erlangen können, daß wir deshalb die
Neutralität im gegebenen Moment preisgeben müssen, daß uns unsere
wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse zwingen, gemeinsam mit Oester-
reich-Ungarn und Deutschland zu marschieren, und daß nur die letztgenannten
Staaten uns helfen können, unsere nationalen Ideale zu verwirklichen und
unsere Einigung zu erzielen. Wir müssen jedes Gefühl beiseite lassen und
„aus heiligem Egoismus“ im gegebenen Augenblick mit Oesterreich-Ungarn
und Deutschland marschieren, ihnen in diesem mächtigen Kampfe mithelfen,
um ein Groß-Bulgarien herzustellen. Tun wir dies nicht, so arbeiten wir
vielleicht indirekt an der Schaffung eines Groß-Serbiens mit, neben dem
wir unmöglich bestehen können. Der Weg zu einem „Groß-Bulgarien" nach
Bitolia, Ochrida, Prilep und Skoplje führt über Nisch und Belgrad.“
12. Okt. König Ferdinand erläßt folgende Kundgebung.
Bulgaren! Ihr seid alle Zeugen der unerhörten Anstrengungen, die
ich während eines ganzen Jahres seit Ausbruch des europäischen Krieges
zur Aufrechterhaltung des Friedens am Balkan und der Ruhe des Landes
gemacht habe. Ich und meine Regierung haben uns bemüht, durch die bis-
her bewahrte Neutralität die Ideale des bulgarischen Volkes in die Wirklich-
keit umzusetzen. Die beiden Gruppen der kriegführenden Großmächte er-
kannten die große Ungerechtigkeit an, die uns durch die Teilung Maze-
doniens angetan war. Die beiden im Krieg befindlichen Parteien stimmen