Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1182 Bulgarien. (Oltober 14.—16.) 
darin überein, daß es zu seinem größten Teile zu Bulgarien gehören muf. 
Einzig unser treuloser Nachbar Serbien ist vor den Ratschlägen seiner 
Freunde und Verbündeten unbeugsam geblieben. Weit davon entfernt, auf 
ihre Ratschläge zu hören, hat Serbien in seiner Feindlichkeit und Habgier 
unser eigenes Gebiet angegriffen, und unsere tapferen Soldaten haben für 
die Verteidigung unseres Bodens kämpfen müssen. 
Bulgaren! Nationale Ideale, die uns allen teuer sind, waren es, die 
mir im Jahre 1912 die Pflicht auferlegten, unsere heldenhafte Armee zum 
Kampf aufzurufen, in dem sie die Fahnen der Freiheit entfaltete und die 
Keiten der Sklaverei brach. 
Unsere serbischen Verbündeten wurden dann der Hauptgrund dazu. 
daß Mazedonien uns verloren ging. Erschöpft und ermüdet, aber nicht de- 
siegt, mußten wir unsere Fahnen zusammenrollen, in Erwartung besserer 
Tage. Die guten Tage sind viel schneller gekommen, als wir sie erwarten 
konnten. Der europäische Krieg nähert sich seinem Ende. Die siegreichen 
Armeen der Mittelmächte sind in Serbien und rücken schnell vor. 
Ich richte an die bulgarische Nation den Anruf zur Verteidigung des 
heimatlichen Bodens, der von dem schurkischen Nachbar befleckt ist, und zur 
Befreiung unserer versklavten Brüder vom serbischen Joche. 
Unsere Sache ist gerecht und heilig. Ich befehle also unserer tapferen 
Armee, den Feind aus den Grenzen des Königreiches zu verjagen, den 
schurkischen Nachbar zu zerschmettern und unsere vom serbischen Joche be- 
drückten Brüder von ihren Leiden zu befreien. Zugleich mit den tapferen 
Armeen der Mittelmächte werden wir die Serben bekämpfen. Mag der bul- 
garische Soldat von Sieg zu Sieg fliegen. Vorwärts, Gott segne unsere Heere! 
14. Okt. Der neu ernannte Gesandte Spaniens, Diego Saave- 
dra, der erste ständige Vertreter Spaniens in Sofia, wird vom König 
zur Überreichung seines Beglaubigungsschreibens empfangen. 
Mitte Okt. Die offiziöse „Narodni Prava“ bringt eine Er- 
widerung auf die Petersburger halbamtliche Mitteilung über die 
Verhandlungen der Ententemächte mit Bulgarien (s. Rußland 12.Okt.). 
Das Blatt stellt fest, daß die Entente wohl die Berechtigung der bul- 
garischen Forderungen anerkannte, aber nicht die Macht besaß, ihre Er- 
füllung in Nisch durchzusetzen, wo man bis zu den Niederlagen der Russen 
in Galizien und Polen eine völlig ablehnende Haltung bewahrte. Erst in 
diesem Zeitpunkt willigte Serbien ein, überhaupt in Besprechungen über 
die bulgarischen Forderungen einzutreten. Es wollte wieder nur den Teil 
von Mazedonien abtreten, der Gegenstand des türkisch-bulgarischen Krieges 
im Jahre 1912 war. Aber auch dieses Zugeständnis war an die Bedingung 
geknüpft, daß die bulgarische Armee sofort gegen die Türkei marschiere; das 
abzutretende Gebiet sollte aber erst nach Beendigung des Krieges in die 
Hand der Bulgaren übergehen, damit die Serben dafür die von ihnen be- 
anspruchten ausgedehnten österreichisch-ungarischen Gebiete erhalten. Das lief 
auf die Forderung hinaus, daß Bulgarien sich im Krieg gegen die Türkei 
erschöpfe, um eine Vergrößerung Serbiens herbeizuführen, ohne selbst von 
Mazedonien Besitz ergriffen zu haben. Die famosen Verheißungen der Entente 
liefen daher auf inhaltlose Versprechungen hinaus. Konnte Bulgarien sich 
vernünftigerweise darauf einlassen? 
16. Okt. Der Flottenadmiral der Verbündeten im östl. Mittel- 
meer verhängt die Blockade über die bulg. Küste im Agäischen Meer.
	        
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