Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1194 Ruminien. (Oktober 7.) 
für Dich, in der Du in Pünktlichkeit, Eifer und gutem Beispiel für die 
Kameraden der Erste sein mußt. Und Du liebst Deinen Beruf, so wie 
auch ich unsere Soldaten und unsere Armee liebe. 
Inmitten der Armee bin ich aufgewachsen, habe ich die besten Tage 
meines Lebens gelebt. Ich kenne ihren unschätzbaren Wert, sie ist der 
Schild und die Hoffnung des Landes, und ich weiß, daß wir uns auf sie 
in jedem Augenblick stützen können. 
Aber immer mehr wird sich Dein Wirkungskreis erweitern, bis schließ- 
lich auch Du einmal berufen sein wirst, ein ganzes Land zu führen. Je 
frühzeitiger sich ein Thronerbe für diesen Beruf vorbereitet, desto leichter 
wird ihm die Aufgabe werden, wenn der Augenblick kommt. Vergiß nie- 
mals, daß ein König der erste Diener des Staates sein muß, und deshalb 
kann das Volk verlangen, daß er ein Beispiel in der Erfüllung seiner 
Pflichten sei. Denke daran, daß ein von oben gegebenes schlechtes Beispicl 
einen Staat zum Untergang führen kann. 
In allen modernen Staaten hat die Verfassung dem Herrscher eine 
Ausnahmestellung geschaffen. Er ist für die Regierungshandlungen nicht 
verantwortlich, hat aber für seine Handlungen eine sehr schwere Verant- 
wortung gegenüber Gott, gegenüber sich selber, gegenüber dem Lande und 
der Geschichte. Ein Herrscher hat sehr große Pflichten gegenüber dem Volke, 
das ihm seine Geschicke anvertraut hat, aber seine Macht ist eingeschränk, 
und niemand muß die Verfassung und die Gesetze mit größerer Gewissen- 
haftigkeit beobachten, indem er mit Vertrauen und im Einklange mit seinen 
Ratgebern arbeitet. Vergiß nicht, daß diese eine schwere Aufgabe haben, 
und daß auf sie die Verantwortung für die Handlungen des Herrschers 
fällt. Stets auf der Wacht, muß ein Herrscher mit Eifersucht darüber wachen. 
daß das Ansehen des Landes hoch und unversehrt erhalten werde, er aber 
kann die Ratschläge der Räte der Krone nicht entbehren, weil sie das Organ 
der Uebermittlung der Beschwerden, der Aspirationen und des Willens des 
Volkes sind. Sie zu kennen, sie zu teilen und sich mit ihnen zu identi- 
fizieren ist eine der höchsten Pflichten des Herrschers. 
Du, lieber Carol, wirst vielleicht eine leichtere Aufgabe haben als 
jene, die vor Dir gearbeitet haben und arbeiten und deren Herz so stark 
für das rumänische Volk geschlagen hat und schlägt. Du wirst vom Volke 
geliebt, bewahre die Liebe, die es zu Dir hegt, in allen Deinen Handlungen 
und vergiß niemals, daß es leichter ist, die Liebe und das Vertrauen eines 
Volkes zu verlieren als zu gewinnen.“ 
7. Okt. Denkschrift über die wirtschaftliche Lage. 
Die Präsidenten der Landwirtschaftlichen Vereine überreichen der Re- 
gierung eine Denkschrift über die wirtschaftliche Lage des Landes, 
deren Ausgangspunkt die Reglementierung aller Geschäfte mit landwirt- 
schaftlichen Erzeugnissen bildet, wie sie in den von Rumänien kaufenden 
Staaten besteht, und die die Notwendigkeit der Erleichterung des Kredits be- 
spricht, ohne welchen die Landwirte der schwierigen Lage nicht gewachsen 
seien. Die Denkschrift verlangt die Bildung einer besonderen Kommission 
zur Regelung des Verkaufs landwirtschaftlicher Erzeugnisse, die allein das 
Recht hätte, Ausfuhrwaren abzugeben. Sie solle aus großen Landwirten, 
Ausfuhrhändlern und den landwirtschaftlichen Syndikaten bestehen. Ferner 
werden Erleichterungen für die Aufbewahrung von an der Grenze an- 
gekommenen Waren, die sofortige Einstellung des Warentransportes bis 
zur Grenze bis zur Ordnung der Verkäufe und die Verteilung der Darlehens- 
kassenkredite entsprechend den Bedürfnissen einzelner Provinzen verlangt und, 
wenn die Darlehnskasse nicht ausreichte, die Gründung einer besonderen
	        
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