Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1210 Rumãnien. (Dezember 25./30.) 
vereitelt. Damals hätten wir das machen können, wozu nicht zehn Millionen 
Soldaten des Vierverbandes ausgereicht hätten. Der Redner schließt mit 
einem Appell an alle, der großen Probleme eingedenk zu sein, die heute 
gelöst werden, und die alles überbieten, was seit tausend Jahren dagewesen 
ist. Unsere Generation, die so wenig auf Heldenmut vorbereitet ist, muß 
alles tun, um dieses Werk zu verwirklichen. Sie muß an den Fortschrit 
denken, der dem Lande blüht, das sich vergrößert. (Beifall bei der Minderheit.) 
Peter Carp antwortet hierauf: Man sagt, daß unser Vertrag mit 
den Mittelmächten ein Vertrag der Furcht war. Als mich der verstorbene 
König wegen der Donaufrage nach Berlin sandte, sagte ich in meinem Be- 
richt, daß wir ein Interesse daran haben, mit Oesterreich-Ungarn zu gehen. 
Nach Rumänien zurückgekehrt, studierte ich die Lage Rumäniens und kam 
zu der Ueberzeugung, daß sein Schicksal nur durch Eroberung oder Zu- 
geständnis verbessert werden konnte. Eroberung war nicht möglich, denn 
sie setzte die Zertrümmerung der österreichisch-ungarischen Monarchie vor- 
aus. Deshalb haben wir als Isolierte die Pflicht, den Weg der Zugeständ- 
nisse zu gehen. Um erobern zu können, müssen wir stark werden, indem 
wir Bessarabien nehmen. Bevor wir an das ganze Ideal denken, trachten 
wir zu tun, was möglich ist. Diese Erwägungen brachten den Vertrag zu- 
stande. Auch heute dürfen wir nicht daran denken, über die Karpathen zu 
gehen. Für den Fall des Vierverbandes wissen wir aus dem Munde des 
russischen Ministerpräsidenten, was uns bevorsteht. Rußland will die Meecr- 
engen, die Donaumündungen und Galatz. Bulgarien hat verstanden, daß 
dann Rußland den Ueberlandweg nach Konstantinopel braucht, deshalb ist 
es in den Krieg gegen Rußland eingetreten. Deshalb sehe ich es als unsere 
Pflicht an, gegen Rußland zu sein. Die rumänische Politik konnte und kann 
sich nicht von Vorliebe leiten lassen. Sie kannenicht in der Politik einer Groß- 
macht völlig aufgehen. Sie wird immer jenem folgen, der in Europa die Fahne 
des Widerstandes gegen eine Invasion vom Norden entfaltet. Diese glorreiche 
Fahne ist in den Händen der Mittelmächte. Den Bestand des rumänischen 
Staates vorübergehenden Interessen von Rumänen in anderen Ländern unter- 
zuordnen, wäre eine ganz irrige Politik. Die Karpathenfrage wird nicht 
senseits der Karpathen, sondern jenseits des Pruths gelöst werden. 
Nach der mit großem Beifall aufgenommenen Rede Carps spricht 
der Berichterstatter Marzescu, der die bisherigen Reden dahin zusammen- 
saßte, daß man der Regierung nicht vorwerfen könne, daß sie die Interessen 
des Landes preisgegeben habe. Sodann sprechen als Vertretier der Konserva- 
tiven C. C. Arion und Take Jonescu. C. C. Arion führt aus, daß die konser- 
vative Partei eine Politik der Wirklichkeit machen wolle; wenn in Zukunft 
die Lage ebenso sein wird wie heute, wird diese Politik an der Seite der 
Mittelmächte sein. Take Joneseu erklärte, er wünsche festzustellen, daß die 
Führer der Opposition dem König und dem Ministerpräsidenten eine Denk- 
schrift über den Eintritt Rumäniens in den Krieg überreicht haben. Was 
den Vertrag mit Serbien anbelangt, so habe er. Redner, seine endgültige 
Form redigiert. Redner erklärt, was seine Schrift vom Jahre 1891 betreffe, 
so bestehe zwar scheinbar ein Gegensatz zu seinen heutigen Ansichten. Da- 
mals waren wir, sagt Redner, auf einen Krieg mit Rußland gefaßt und 
rechneten mit der Ueberschreitung des Pruths durch die Russen. Der Zweck 
der Schrift war also begreiflich. 
Ministerpräsident Bratianu weist darauf hin, daß die Regierung 
über internationale Politik nicht sprechen könne, was aber nicht bedeute, 
daß sie alles hier Gesagte billige. 
Sodann wird die Adresse mit 82 gegen 2 Stimmen angenommen.
	        
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