Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Serbien. (Januar 1. —Juni 14.) 1211 
XX. 
Serbien. 
1. Jan. Eine Proklamation des Thronfolgers Alexander preist 
den Patriotismus der Mazedonier in der serbischen Armee und 
verspricht für den serbischen Teil Mazedoniens verfassungsmäßige 
Einrichtungen. 
19. März. Abschluß eines Konkordats mit dem Vatikan. 
Serbien erhält ein Erzbistum in Belgrad, ein Bistum in Uesküb und 
ein katholisches Seminar. 
6. Mai. Das Ministerium Paschitsch überreicht die Demission 
des Kabinetts, die Kronprinz Alexander jedoch nicht annimmt. 
Die Veranlassung zu diesem Schritt gibt dem Kabinett die Nachricht, 
daß die Verbandsmächte den Italienern nebst Triest und Pola auch die 
ganze Ostküste Istriens, Fiume und einen Teil Dalmatiens zusichert, ob- 
schon diese Gebiete ausschließlich von Serbo-Kroaten bewohnt sind. 
10. Mai. Die Regierung übergibt den Zeitungen folgendes 
Dementi über die angebliche Verständigung mit Italien: 
Alle Nachrichten und Behauptungen über eine angeblich erfolgte Ver- 
ständigung zwischen Serbien und Italien über Dalmatien sind vollkommen 
unbegründet, ebenso kam der Regierung über wie immer geartete Ueber- 
einstimmung in dieser Sache zwischen der Tripleentente und Italien keine 
Nachricht zu. 
14. Juni. Erklärung über die Besetzung albanischer Distrikte 
durch Serbien. 
Die Agence Havas verbreitet eine Erklärung der Regierung, 
worin diese sich gegen den Verdacht verteidigt, daß das Vorgehen Serbiens 
gegen Albanien durch die Furcht vor Italien veranlaßt sei. Die Erklä- 
rung schließt mit folgenden Sätzen: In seinem Kampf gegen Serbien wurde 
Oesterreich auf der albanischen Front sehr unterstützt durch die Proklamie- 
rung des Heiligen Krieges, welche die wilden Völkerschaften Albaniens 
fanatisierte. Der letzte Einfall der Albaner, der mit von Oesterreich ge- 
lieferten Geschützen und Maschinengewehren gegen Elbassan ausgeführt 
wurde, stellte Serbien vor die Wahl, entweder die Grenze auf dieser Front 
ohne Verteidigung zu lassen, oder diese Grenze durch Besetzung der strategisch 
wichtigen Punkte zu schützen. Serbien mußte sich für das letztere entscheiden. 
Die Albaner begannen, davon überzeugt zu sein, daß trotz des Krieges die 
Rräfte Oesterreichs nicht gebrochen seien und daß die Monarchie sie immer 
und immer wieder in Schutz nehmen werde. Serbien war also genötigt, 
Maßnahmen zu treffen, um sich wenigstens für die Dauer dieses Krieges 
gegen die albanischen Einfälle zu sichern und um den Albanern die Ueber- 
zeugung zu nehmen, sie könnten ungestraft eingreifen und Oesterreich werde 
sie noch beschützen. Serbien weiß, daß die albanesische Frage endgültig nur 
durch Europa gelöst werden kann. Es ist aber ebenso sehr überzeugt, daß 
die getroffenen Maßnahmen so sehr im Interesse der großen Verbündeten 
liegen wie in seinem eigenen, denn sie bezwecken, eine Grenze zu sichern
	        
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