Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Griechenland. (April 19.—Mai 15.) 1221 
Kompensation für die gemachten Zugeständnisse wird uns das Gebiet Doiran 
und Gewgheli in der Größe von 1000 Quadratkilometern abgetreten; 2. Bul- 
garien tritt hiernach als Verbündeter Serbiens und Griechenlands aus seiner 
Neutralität heraus; 3. Die Abtretung findet nach dem Krieg statt und nur, 
falls der Krieg der Dreiverbandsmächte Griechenland in Kleinasien ein Ge- 
biet von 110000 Quadratkilometern sichert.“ Am 8. April übergab der König 
dem Ministerpräsidenten und der Regierung einen Brief, in dem Venizelos 
ihn um ein Dementi der Regierungserklärung ersucht, laut welcher der König 
Venizelos' Absicht, Kavalla abzutreten, nicht geteilt hätte. Da die Regie- 
rung ihre Angaben aufrecht erhält, zieht sich Venizelos von jeglicher Teil- 
nahme an der Politik zurück. 
19. April. Zwei für Griechenland in England im Bau be- 
findliche Kreuzer und vier Torpedoboote werden dort beschlagnahmt. 
20. April. Das bei Chios gestrandete türkische Torpedoboot 
„Timur Hissar“ wurde in den griechischen Gewässern von einem 
englischen Kriegsschiff verfolgt. 
2. Mai. Ein kgl. Dekret verfügt die Auflösung der Kammer. 
5. Mai. Die Wahlen werden auf den 13. Juni, der Zusammen- 
tritt der neuen Kammer auf den 25. Juli festgesetzt. 
8. Mai. Der frühere Justizminister Raktivan übernimmt die 
Leitung der Venizelospartei. Die unabhängige Partei wählt Johannes 
Dragumis zum Leiter. 
8. Mai. Der König ist plötzlich schwer erkrankt. Die Diagnose 
der Arzte stellte eine Rippenfellentzündung mit mäßigem Fieber fest. 
12. Mai. Die Marineoffiziere die den Bau griechischer Kriegs- 
schiffe auf englischen Werften beaufsichtigen, werden zurückgerufen. 
15. Mai. Nach einem Bericht des Vertreters der „United Preß" 
über eine Unterredung mit König Konstantin äußerte dieser: 
Griechenland kann seine Neutralität nur dann aufgeben, wenn seine 
Interessen in einem künftigen Augenblick dies verlangen. Die Interessen des 
Hellenismus, als eines Ganzen, sind einzig und allein für die Politik 
Griechenlands bisher maßgebend gewesen und werden es auch bis zum Schluß 
bleiben. Ueber die Zerwürfnisse, die zum Rücktritt von Venizelos führten, 
erklärt der König: Da sich Griechenland zwischen zwei feindlichen Mächte- 
gruppen befindet, habe ich nur eine Politik gehabt und einen Wunsch, 
nämlich, wie schon gesagt, die künftigen Interessen des Hellenismus als 
Ganzes zu wahren. Der Augenblick war für Griechenland nicht günstig ge- 
wählt, um die Neutralität aufzugeben, und seine Interessen wären dadurch 
nicht gefördert worden. Sollte Venizelos später wieder ans Ruder kommen, 
so werden wir zusammen so einträchtig wie früher an der Verwirklichung 
der nationalen Hoffnungen Griechenlands arbeiten. Auf die Frage, welches 
diese Hoffnungen seien, antwortet der König: Die Wünsche des griechischen 
Volkes richten sich auf die nationale Einheit, wozu sich das griechische Volk 
auf Grund seiner erhabenen Vergangenheit berechtigt hält. Stets war es 
die Aufgabe Griechenlands, der gesamten Welt die Zivilisation zu bringen, 
und wenn Griechenland sich jetzt und in der Zukunft ausdehnt, so ver- 
größert sich auch seine Fähigkeit, diese seine Aufgabe zu erfüllen.
	        
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