Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Vereinigte Staaten von Nerdemerihe und RKauaba. (Juni 1.9.) 1265 
Deutsche Regierung sich bereit erklärt, den Schaden des torpedierten 
Dampfers „Gulflight“ zu vergüten. 
Gegen die durch ein deutsches Unterseeboot am 1. Mai erfolgte Tor- 
pedierung des „Gulflight“ erhebt die Note der Vereinigten Staaten vom 
15. Mai (s. Anhang zu Vereinigte Staaten von Nordamerika S. 1315) Ein- 
spruch. Die deutsche Regierung erklärte, der Kommandant des Unterseebootes 
habe einen Irrtum begangen, den er erst bemerkte, als der Schuß schon 
abgefeuert war. 
1. Juni. (Washington.) Schluß der panamerikanischen 
Finanz= und Handelskonferenz. 
Ein greifbares Resultat wird auf der Konferenz nicht erzielt. Das 
einzige, was die Delegierten aus Washington mit sich fortnehmen, sind eine 
Reihe von Anregungen, die in einer zu diesem Zwecke von dem amerika- 
nischen Schatzsekretär einzusetzenden Kommission weiter beraten werden sollen. 
Es handelt sich dabei vornehmlich um die Erzielung einer einheitlichen 
Gesetzgebung über das Seetransportwesen, ausländische Wechsel, gewisse 
Zollangelegenheiten und einige andere Handels- und Finanzangelegenheiten. 
Die bemerkenswerteste Ansprache auf dem Konvent hält Herr Paul M. War- 
burg, das hervorragendste Mitglied der Bundes-Reservebehörde. Er weist 
darauf hin, daß die Bundes-Reservebanken imstande seien, den Waren- 
verkehr mit den latino-amerikanischen Republiken vollständig zu finanzieren. 
Aber nicht nur diesen, denn ein neueres juristisches Gutachten habe dar- 
getan, daß sie auch Devisen übernehmen könnten, welche aus andern Handels- 
transaktionen stammen als aus dem Verkehr zwischen den amerikanischen 
Republiken. Die Vereinigten Staaten seien mithin in den Stand gesetzt, 
das ganze Auslandsbankgeschäft der Latino-Amerikaner zu über- 
nehmen, so daß in dieser Beziehung All-Amerika von Europa unabhängig 
werden könne. Herr Warburg weist dann darauf hin, wie die Bundes- 
Reservebehörde sich bemühe, den Goldvorrat des Landes mehr zu konzen- 
trieren und besser nutzbar zu machen. Soweit das Akzeptwesen in Frage 
kommt, stellt der Redner fest, daß er auf Grund von Besprechungen mit 
den Vertretern hervorragender Bankinstitute mitteilen könne, die Absicht 
liege vor, eine liberale Politik bezüglich Fristwechseln einzuschlagen. Am 
Schlusse seiner Rede meint Herr Warburg, daß der Krieg wahrscheinlich 
die Folge haben werde, daß die Vereinigten Staaten mehr als je auf ihre 
eigene Finanzkraft angewiesen sein würden. Daraus würden dem Lande 
große Vorteile erwachsen, wie allein das beträchtliche Angebot ausländischer 
Sekuritäten beweise, das zu Beginn des Krieges die Schließung der ameri- 
kanischen Börsen und die zeitweilige Desorganisation des amerikanischen 
Finanzwesens zuwege gebracht habe. 
Wie aus einer Ansprache des Präsidenten Wilson hervorgeht, hat 
er noch nicht auf sein Schiffsankaufsprojekt verzichtet. Er legt be- 
sonderes Gewicht auf die Schaffung einer großen amerikanischen 
Handelsmarine und deutet an, wenn man fertige Schiffe kaufe, werde 
es nicht nötig sein, zu warten, bis sie gebaut seien. 
9. Juni. Rücktritt Bryans. 
Reuter meldet aus Washington: Staatssekretär Bryan hat seinen Ab- 
schied eingereicht. Eine zweite Depesche lautet: Wilson nahm Bryans Ent- 
lassungsgesuch an. Die Ursache des Rücktritts sind Meinungsverschiedenheiten 
über die deutsche Note. Bryan widersetzte sich jeder Fassung, die einem Ulti- 
matum ähnlich gewesen wäre, da er sich dadurch mit seiner Friedenspolitik 
80“
	        
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