1266 FPereinigte Staaten von Nordemerika und stanada. (Juni 9.)
in Widerspruch gesetzt haben würde. In dem Entlassungsgesuch erklärte er
dies ausdrücklich.
9. Juni. über seinen Rücktritt äußert sich Bryan in einem
Aufruf an das amerikanische Volk wie folgt:
„Sie haben den Wortlaut der Note vor sich, und ich bitte Sie, über
meinen Entschluß, lieber zurückzutreten, als die Verantwortung für die Note
zu teilen, Ihr Urteil zu fällen. Ich bin sicher, daß Sie mir ehrenhafte Be-
weggründe zubilligen werden. Aber das ist nicht genug. Gute Absichten
allein könnten in solcher Zeit, bei einem solchen Gegenstand und unter solchen
Umständen einen Irrtum nicht entschuldigen. Falls Ihr Urteil gegen mich
ausfällt, verlange ich keine Gnade. Der Präsident und ich stimmen in unseren
Zielen überein. Wir wünschen eine friedliche Lösung des Streites der Ver-
einigten Staaten mit Deutschland. Eine solche Lösung ist nicht nur unser
beider sehnlicher Wunsch, sondern wir beten sogar darum. Aber über die
Mittel, sie zu erreichen, gehen unsere Meinungen unvereinbar auseinander.
Wenn wir nur persönliche Meinungsverschiedenheiten hätten, so würde das
von keiner Bedeutung sein. Aber es handelt sich hier in Wirklichkeit um
die Wahl zwischen zwei Systemen. Unter den Einflüssen, deren sich die
Regierungen bei ihren Beziehungen untereinander bedienen, nehmen zwei
eine vorherrschende Stellung ein und sind einander entgegengesetzt: nämlich
Gewalt und Ueberredung. Gewalt tritt bestimmt auf und handelt durch
Ultimatum. Ueberredung wendet Beweisführungen an, fordert zu Unter-
suchungen auf und stützt sich auf Verhandlungen. Gewalt stellt das alte
System dar, Ueberredung ein neues, das allgemeine Brüderlichkeit zum Ziele
hat. Wenn ich die Note an Deutschland richtig auslege, so muß ich sagen.
daß sie eher mit den Grundzügen des alten Systems als denen des neuen
Systems übereinstimmt. Ich gebe gern zu, daß sie sich auf Präzedenzfälle
im Ueberfluß stützt. Das alte System ist für alle früheren Kriege ver-
antwortlich. Noch nie zuvor hat sich jedoch die entsetzliche Tollheit dieses
unglücklichen Systems so klar enthüllt als jetzt. Die zivilisierten und er-
leuchteten christlichen Nationen Europas ringen miteinander, und schon hat
der Wunsch nach Krieg auch die Jingos in unserem eigenen Lande ergriffen.
Als demütiger Jünger des Friedensfürsten, als überzeugter Anhänger der
Prophezeiung, daß diejenigen, die zum Schwerte greifen, auch durch das
Schwert umkommen sollen, bitte ich, mich zu denen zu zählen, die ernstlich
darauf dringen, einen Weg einzuschlagen, der keinen Zweifel darüber läßt,
daß unsere Regierung gewillt ist, die Verhandlungen mit Deutschland fort-
zusetzen, bis eine freundschaftliche Verständigung erreicht ist, oder wenigstens
bis der Druck des Krieges vorüber ist, und wir uns unter Erinnerung an
die historische Freundschaft und die zahllosen Bande, die Deutschland mit
den Vereinigten Staaten verknüpfen, an Deutschland wenden können. Eine
Nation muß die Welt aus der dunklen Nacht des Krieges herausführen ins
Licht des Tages, wo die Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden.
Warum sollen wir uns dieser ehrenvollen Aufgabe nicht eines Tages unter-
ziehen? Und warum nicht gleich jetzt? Die Nationen werden einsehen, daß
ein dauernder Friede nicht auf Furcht aufgebaut werden kann. Eines Tages
werden die Nationen ihr Vertrauen in die Liebe setzen, die, obwohl sie von
den Anbetern des Kriegsgotts als Schwäche verachtet wird, weiter währt.
wenn alles andere versagt.“
Ferner schreibt Bryan in der „New Norker Staatszeitung“ über die
Gründe für seine Stellungnahme:
„Mein Grund für meinen Rücktritt ist in meinem Abschiedsgesuch klar
angegeben, nämlich, damit ich als Privatmann mich der Mittel bedienen