Grssbritannien. (April 29.) 757
sei. Die Verwendung betäubender Gase sei ein Vergehen gegen die Haager
Konvention.
Die folgenden Redner, Lord Lansdowne, Grenfell und Albemarle
kritisieren die Vergeltungsmaßregeln Churchills. Lord Curzon
sagt, mehr als einmal während des Krieges seien Anzeichen selbständiger
Handlungsweise bei Churchill bemerkt worden. Die Regierung dürfe sich
nicht wundern, wenn eine Wiederholung die Aufmerksamkeit des Hauses
errege, wie sie zweifellos eine tiefe Beunruhigung und Besorgnis im Lande
hervorgerufen habe. Es herrschten Zweifel, ob Churchill bei diesen Hand-
lungen die Unterstützung des Seelords gehabt. Das lege dem Kabinett die
Pflicht zu größerer Vorsicht bei der Kontrolle der Kollegen auf, als dies
bisher geschehen sei. Die Regierung möge vorsichtiger sein in der Art, wie
sie ihre hohen moralischen Grundsätze kundtäte, als sie es bei Churchills
Ankündigung von Vergeltungsmaßregeln gewesen sei.
Auch im Unterhaus werden die deutschen Repressalien gegen
die englischen Maßregeln gegen die U-Bootsgefangenen besprochen.
Der erste Lord der Admiralität, Sir W. Churchill, führt in Beant-
wortung mehrerer Anfragen aus: Die Ausnahmebestimmungen für deutsche
Gefangene gelten nur für Gefangene von deutschen Tauchbooten, die auf
ruchlose Weise neutrale Nichtkämpfer und Frauen auf offener See getötet haben.
Die Gefangenen aus den deutschen Tauchbooten, die vor dem 18. Februar in die
Hände der Engländer fielen, werden wie die anderen Gefangenen behandelt.
Aber Personen, die systematisch Handelsschisse und Fischdampfer in den
Grund bohrten, vielfach ohne Warnung und ohne Rücksicht auf Verlust von
Menschenleben, der daraus entsteht, können nicht als ehrliche Soldaten be-
trachtet werden. Missetaten wie die gegen „Oriole“ und „Falaba“ konnten
nicht vorausgesehen werden. Das Völkerrecht enthält keine Bestimmungen
darüber. Man kann augenblicklich nicht sagen, wie weit es möglich sein
wird, nach Ablauf des RKrieges die Schuld der beteiligten Personen fest-
zuhalten und in welcher Form Genugtuung von dem schuldigen Volke zu
verlangen ist. Inzwischen müssen die Gefangenen von ehrenhaften Kriegs-
gefangenen abgesondert werden. Die Bedindungen, unter denen das geschehen
ist, sind durchaus menschenwürdig. Die Regierung hat unter der Voraussetzung
der Gegenseitigkeit zugestanden, daß amerikanische Vertreter die Gefangenen
besuchten und Bericht erstatten. Sie kann sich aber durch die deutschen Ver-
geltungsmaßregeln nicht in der Art der Behandlung beeinflussen lassen.
Premierminister Asquith erklärt: Ich sage mit allem Nachdruck und
aller Ueberlegung, daß wir, wenn wir zum Ende des Krieges kommen,
nicht diesen schrecklichen Rekord absichtlicher Grausamkeiten und absichtlichen
Verbrechens vergessen werden oder sollen. Wir halten es für unsere Pflicht,
von den Schuldigen jede mögliche Genugtuung zu erlangen. Ich glaube
nicht, daß wir unsere Pflicht gegenüber diesen tapferen und unglücklichen
Männern, gegenüber der Ehre des Landes und den klaren Geboten der
Humanität tun würden, wenn wir uns mit weniger begnügten.
(Siehe die Zurückweisung, die die „Nordd. Allg. Ztg.“ den englischen
Anklagen wegen der deutichen Gefangenenbehandlung, zumal den Ver-
leumdungen Kitcheners, zuteil werden läßt, unter „Deutsches Reich“, 2. Mai,
ferner das in der Beck'schen Chronik des Deutschen Krieges Bd. IV S. 474.
abgedruckte Urteil des amerikanischen Botschafters V. Gerard, der am
27. April eine größere Anzahl deutscher Gefangenenlager besichtigte.)
29. April. (Unterhaus.) Eine neue Anfrage, betreffend die
Behandlung der Gefangenen von deutschen Untersee-