Greßbritannien. (Mai 4.) 759
Die Kriegskosten beliefen sich auf täglich 2,1 Millionen Pfund. Falls
der Krieg noch ein Jahr dauere, hätte England 1132 Millionen Pfund
Sterling aufzutreiben, von denen 270 Millionen durch Steuern gedeckt
werden könnten; es blieben also noch 862 Millionen zu decken, von denen
200 Millionen an die Verbündeten und an die Dominions ausgeliehen seien.
Die Wirkung des Krieges auf England und auf Deutschland sei ver—
schieden. Englands Einfuhr sei gestiegen, denn es kaufe nicht nur Kriegs-
vorräte, sondern auch andere Erzeugnisse, weil vier Millionen der besten
Arbeiter der Industrie entzogen seien; zwei Millionen seien in Heer und
Flotte eingetreten, zwei Millionen stellten nur Munition her. Daher sei
die Einfuhr ganz außerordentlich gestiegen und die Ausfuhr sehr beträchtlich
gesunken. Deutschland dagegen sei von Uebersee abgeschnitten, könne nichts
einführen und sei auf seine eigenen Hilfsmittel angewiesen. Vom Stand-
vunkte des Kriegsministers aus sei England besser daran, vom Standpunkte des
Finanzministers aber Deutschland. Englands Schwierigkenten, vom Stand-
punkte des Finanzministers gesehen, seien jetzt die größeren: ein deutscher
Finan zminister habe es bei längerer Kriegsdauer nicht so schwer, die Käufe
im Auslande zu finanzieren.
Der Ueberschuß der Einfuhr über die Ausfuhr beträgt in diesem
Jahre 448 Millionen Pfund Sterling gegenüber 130 Millionen in anderen
Jahren. Oierin sind aber die Käufe der englischen und der verbündeten
Regierungen im Auslande noch nicht einbegriffen. Tatsächlich haben wir
die meisten Ankäufe der verbündeten Regierungen im Auslande zu finan-
zieren; wir haben daher nicht nur eine Differenz von 130 Millionen, son-
dern von etwa 700 bis 800 Millionen Pfund zu finanzieren. Anlagezinsen
und Frachten betragen etwa 350) Millionen; also sind für Finanzierung der
Auslandskäufe etwa 350 bis 400 Millionen aufzubringen. Maßregeln, die
unsere Ausfuhr dem Werte nach beeinträchtigen könnten, müssen, soweit
irgend möglich, vermieden werden; daher darf die Anwerbung für das Heer
nicht über ein bestimmtes Maß hinausgehen. Wir haben eine ungeheure
Anzahl von Soldaten aufgestellt, aber nun ist die Zeit gekommen, rein vom
finanziellen Standpunkt aus betrachtet, wo man darauf achten muß, daß
die Anwerbung die Herstellung der Munition und derienigen Ausfuhr-
waren, mit denen wir unsere und unserer Verbündeten Munition bezahlen
müssen, so wenig wie möglich beeinträchtige. England kann nicht zugleich
die See beherrschen, die Bedürfnisse seiner Verbündeten finanzieren und
gleich den Kontinentalmächten seine ganze Bevölkerung in das Heer
einstellen.
Der Redner fährt fort: Um die für die Kriegsausgaben nötigen
1100 Millionen Pfund aufzubringen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Die
erste Möglichkeit, unser Defizit zu überbrücken, ist eine Brücke von Papier.
Das klingt verführerisch, aber ein Land mit internationalem Handel kann
das nicht tun, denn dann würde das Gold aus dem Verkehre verschwinden,
die Lebensmittelpreise würden steigen, Wertpapiere würden auf dem be-
schränkten Markt nur mit großen Verlusten verkausft werden können, und
wir würden nach dem RKriege um so viel ärmer sein. Das richtige Mittel
wäre, nur auf das Einkommen und die Ersparnisse des Landes zurück-
ingreifen. Zum Schluß beantragt der Schatzkanzler, zunächst die Einkommen-
neuer in ihrer jetzigen Höhe zu erhalten, fügt aber hinzu, wenn der Krieg
länger dauere, werde es Pflicht des Parlaments sein, zu erwägen, welche
weiteren Beträge die Nation aufbringen könne.
Austen Chamberlain erklärt seine Zustimmung zu den allgemeinen
Ausführungen des Schatzkanzlers, betont aber, daß keine Stärkung der
finanziellen Stellung Englands seine Schwäche im Felde gutmachen könne.