Vereinigie Staaten von Nerdameriks und Kanada. (Dezember 7.) 1295
benutzt werden sollte, um den Exporthandel nach Kräften auszudehnen und
um Bankfilialen in den größten Städten Europas zu eröffnen, damit nach
dem Beispiel Englands und Deutschlands der Exporthandel im Auslande
finanziert werden kann. Ganz besonders wird darauf hingewiesen, daß der
Export nach Südamerika mit allen Mitteln gefördert und ausgebaut werden
sollte. Der jetzige Zeitpunkt wird für ganz besonders günstig erklärt, da
die Hauptkonkurrenz, Deutschland und England, zurzeit vom Wettbewerb
ausgeschieden seien. Die neuesten Zahlen für das Jahr vor dem Kriegs-
ausbruch zeigen einen Totalimport der europäischen Länder nach Süd-
amerika von 678 Millionen Dollar, während der Import von Nordamerika
nach Südamerika bloß etwa 165 Millionen Dollar betrug
Die Meinungen über die Aussichten der Konkurrenzfähigkeit mit
den europäischen Staaten nach dem Kriege sind geteilt. Der Vize-
präsident der National City Bank, Mr. Kies, betont in seiner Ansprache,
daß die europäischen Mächte nach dem Ende des Krieges alles daran setzen
werden, um die Handelsbeziehungen nach auswärts wieder aufnehmen zu
können; sie würden wohl eher mit Verlust arbeiten, um baldmöglichst wieder
eine befriedigende Handelsbilanz herstellen zu können. Er glaubt nicht, daß
die Arbeitslöhne in Europa nach Friedensschluß sehr stark in die Höhe
gehen werden, ist aber der Ansicht, daß im Gegenteil die amerikanische
Industrie vor ernsthaften Arbeiter= und Lohnschwierigkeiten stehen werde,
die ihre Ursachen in der jetzigen Hochkonjunktur und in den teilweise be-
trächtlichen Lohnerhöhungen haben, die von amerikanischen Industriellen
unter dem Druck der heutigen Verhältnisse den Arbeitern gewährt worden
sind. Andere Ansichten gehen dahin, daß Europa, und speziell Deutschland,
nach dem Ende des Krieges derart erschöpft seien, daß die auf dem Volk
lastenden Steuern eine baldige Aufnahme der Konkurrenz als ausgeschlossen
erscheinen lassen.
Ein ganz besonderes Merkmal des Kongresses ist das vollständige
Fehlen jeglicher deutscher und deutschverbündeter Interessen,
während die Handelsvertreter aller andern Staaten offiziell anwesend sind
und in offiziellen Ansprachen ihre Handelsbeziehungen mit den Vereinigten
Staaten auseinandersetzen. Es muß dem Beobachter den Eindruck machen,
als ob die günstige Gelegenheit des Ausfallens der deutschen Konkurrenz
benutzt werden sollte, um den amerikanischen Handel und die Industrie
mit den übrigen Staaten in engere Fühlung zu bringen. Besonders er-
wähnenswert sind die Ausführungen des Vertreters von Rußland, der
zahlenmäßig über den enormen Import von Waren aus Deutschland orien-
tiert, und welcher die amerikanischen Industriellen einladet, sich eines Teiles
dieses Handels zu bemächtigen.
7. Dez. Eröffnung des Kongresses. Wilsons Botschaft.
Wilson spricht sich in sehr heftigen Worten über Komplotte aus, die
die Vereinigten Staaten in ihren Beziehungen zu den anderen Ländern be-
drohen. „Ich muß leider mitteilen, daß die schwersten Drohungen gegen den
nationalen Frieden und die Sicherheit innerhalb unserer eigenen Grenzen.
ausgestoßen wurden. Zu meinem Bedauern muß ich zugeben, daß Bürger,
die unter anderen Flaggen geboren, aber in Amerika naturalisiert wurden,
die Autorität und den guten Namen der Regierung in Verruf zu bringen
und unsere Industrien zu vernichten versuchten, wo sie es als im Interesse
ihrer Rachgier gelegen betrachteten, daß sie versuchten, gegen sie Schläge
zu führen und unsere politischen Bestrebungen den ausländischen Intrigen
unterzuordnen.“ Obwohl die Zahl dieser Personen im Vergleich zu anderen
fremden Einwanderern gering sei, habe sie die Vereinigten Staaten doch
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 82