Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1304 Auhons iu den Pereinizten Stasten von VNordamerike. (Februar 22.) 
angewiesen worden, Gewalttätigkeiten gegen amerikanische Handelsschiffe zu 
unterlassen, soweit sie als solche erkennbar sind. 
Um in der sichersten Weise allen Folgen einer Verwechslung — aller- 
dings nicht auch der Minengefahr — zu begegnen, empfiehlt die deutsche 
Regierung den Vereinigten Staaten, ihre mit friedlicher Ladung befrachteten. 
den englischen Seekriegsschauplatz berührenden Schiffe durch Konvoyierung 
kenntlich zu machen. Die deutsche Regierung glaubt dabei voraussetzen zu 
dürfen, daß nur solche Schiffe konvoyiert werden, die keine Waren an Bord 
haben, die nach der von England gegenüber Deutschland angewendeten Aus- 
legung als Konterbande zu betrachten sind. Ueber die Art der Durchführung 
einer solchen Konvoyierung ist die deutsche Regierung bereit, mit der ameri- 
kanischen Regierung alsbald in Verhandlungen einzutreten. Sie würde es 
aber mit besonderem Dank anerkennen, wenn die amerikanische Regierung 
ihren Handelsschiffen dringend empfehlen wollte, jedenfalls bis zur Regelung 
der Flaggenfrage den englischen Seekriegsschauplatz zu vermeiden. 
Die deutsche Regierung gibt sich der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß 
die amerikanische Regierung den schweren Kampf, den Deutschland um sein 
Dasein führt, in seiner ganzen Bedeutung würdigen und aus den vor- 
stehenden Aufklärungen und Zusagen ein volles Verständnis für die Beweg- 
gründe und Ziele der von ihr angekündigten Maßnahmen gewinnen wird. 
Die deutsche Regierung wiederholt, daß sie in der bisher peinlich von 
ihr geübten Rücksicht auf die Neutralen sich nur unter dem stärksten Zwang 
der nationalen Selbsterhaltung zu den geplanten Maßnahmen entschlossen 
hat. Sollte es der amerikanischen Regierung vermöge des Gewichts, das sie 
in die Wagschale des Geschickes der Völker zu legen berechtigt und imstande 
ist, in letzter Stunde noch gelingen, die Gründe zu beseitigen, die der 
deutschen Regierung jenes Vorgehen zur gebieterischen Pflicht machen, sollte 
die amerikanische Regierung insbesondere einen Weg finden, die Beachtung 
der Londoner Seekriegsrechtserklärung auch von seiten der mit Deutschland 
kriegführenden Mächte zu erreichen und Deutschland dadurch die legitime 
Zufuhr von Lebensmitteln und industriellen Rohstoffen zu ermöglichen, so 
würde die deutsche Regierung hierin ein nicht hoch genug anzuschlagendes 
Verdienst um die humanere Gestaltung der Kriegführung anerkennen und 
aus der also geschaffenen neuen Sachlage gern die Folgerungen ziehen. 
gez. v. Jagow. 
22. Febr. Antwort der Vereinigten Staaten auf die deutsche 
Note v. 16. Febr. 
Die amerikanische Regierung gestattet sich im Hinblick auf den Schrift- 
wechsel, der zwischen ihr und den Regierungen Deutschlands und Groß- 
britanniens über den Gebrauch neutraler Flaggen durch englische Handelsschiffe 
und die Kriegsgebietserklärung der deutschen Admiralität stattgefunden hat s. 
oben S. 1250 u. 1252, ferner S. 1299), der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß 
die beiden kriegführenden Regierungen im Wege gegenseitiger Zugeständnisse 
eine Grundlage für eine Verständigung finden möchten, deren Ergebnis 
darauf abzielt, neutrale, dem friedlichen Handel obliegende Schiffe von den 
ernsten Gefahren zu befreien, denen sie bei der Durchfahrt durch die die 
Küsten der kriegführenden Länder berührenden Meere unterworfen sind. 
Die amerikanische Regierung bringt ergebenst in Anregung, daß eine 
Berständigung etwa auf Grund ähnlicher Bedingungen wie der nachstehen- 
den erreicht werden möge. 
Diese Anregung soll in keiner Weise als ein Vorschlag der amerika- 
nischen Regierung gelten, denn diese ist sich naturgemäß wohl bewußt, daß 
es ihr nicht zukommt, Bedingungen für eine Vereinbarung zwischen Deutsch-
	        
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