Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1332 Auhans in den Pereinizten Stasten von Nordameriks. (August 16.) 
Deutschland im Kriegszustand befinden, sorgfältig erwogen. Die Regierung 
der Vereinigten Staaten nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, das 
die k. und k. Regierung die unzweifelhafte Tatsache anerkennt, daß ibre 
Haltung bezüglich der Ausfuhr von Waffen und Munition aus den Ver- 
einigten Staaten von der Absicht eingegeben ist, „die strengste Neutralitär 
zu wahren und sich bis auf den Buchstaben den Bestimmungen der inter- 
nationalen Verträge anzupassen“, sie ist jedoch überrascht, zu vernehmen. 
daß die k. und k. Regierung zu verstehen gibt, daß die Beobachtung der 
strengen Grundsätze des Rechtes unter den Umständen, die sich im gegen- 
wärtigen Kriege entwickelt haben, ungenügend sei, und behauptet, daß diese 
Regierung über die seit langem anerkannten Regeln, die diesen Verkebr 
seitens Neutraler beherrschen, hinausgehen und Maßnahmen ergreifen sollre, 
„um eine streng paritätische Haltung rücksichtlich beider kriegführender Par- 
teien zu bewahren“. 
Dieser Behauptung einer Verpflichtung, die Regeln des internationalen 
Herkommens mit Rücksicht auf spezielle Umstände zu endern, oder zu 
modifizieren, kann die Regierung der Vereinigten Staaten nicht beipflichten. 
Die Anerkennung einer derartigen, der internationalen Praxis der Ver- 
gangenheit unbekannten Verpflichtung würde jeder neutralen Nation die 
Pflicht auferlegen, über den Verlauf eines Krieges zu Gericht zu sißen 
und ihren Handelsverkehr mit einem Kriegführenden einzuschränken, dessen 
maritime Erfolge den Neutralen am Handel mit dem Feinde hinderten. 
Der Standpunkt der k. und k. Regierung scheint der zu sein, daß die einem 
Kriegführenden durch seine Ueberlegenheit zur See erwachsenden Vorteile 
von neutralen Mächten durch die Herstellung eines Systems des Nicht- 
verkehrs mit dem Sieger ausgeglichen werden sollten. Die k. und k. Regie- 
rung beschränkt ihre Bemerkungen auf Waffen und Munition, aber, wenn 
das Prinzip, für welches sie eintritt, richtig ist, müßte es mit gleicher 
Kraft für alle Konterbandeartikel gelten. Ein Kriegführender, der die dohe 
See beherrscht, mag einen reichlichen Vorrat an Waffen und Munition 
besitzen, aber an Nahrungsmitteln und Kleidern Mangel leiden. Nach dem 
neuen Grundsatze, daß die Gleichmachung eine Neutralitätspflicht ist, würden 
neutrale Nationen verpflichtet sein, solche Artikel mit Verbot zu belegen, 
weil einer der Kriegführenden sie nicht im Wege des Handelsverkehrs er- 
lungen könnte. 
Wenn aber dieses von der k. und k. Regierung so stark betonte Prinzir 
als wirksam anerkannt werden sollte auf Grund der Ueberlegenheit eine: 
Kriegführenden zur See, sollte es nicht in gleicher Weise gelten für einen 
zu Lande überlegenen Kriegführenden? Wenn man diese Theorie der Gleich- 
machung anwendet, müßte einem Kriegführenden, der der zum erfolgreichen 
Kampfe zu Land erforderlichen Munition entbehrt, gestattet werden, sie vom 
Neutralen zu kaufen, während ein Kriegführender, der einen Ueberfluß an 
Kriegsmaterial oder die Kraft besitzt, selbes zu erzeugen, von solchem Handel 
auszuschließen wäre. 
Es liegt auf der Hand, daß der von der k. und k. Regierung auf- 
gestellte Begriff strenger Neutralität eine neutrale Nation in eine Menge 
Verwicklungen hineinziehen würde, welche das ganze Gebiet der inter- 
nationalen Verpflichtungen verdunkeln, wirtschaftliche Verwirrungen hervor- 
rusen und allen Handel und alle Industrie der legitimen Gebiete der 
Unternehmungstätigkeit, die ohnedies schon durch die unvermeidlichen Be- 
schränkungen des Krieges schwer belastet ist, berauben würde. 
In diesem Zusammenhange ist es angebracht, die Aufmerksamkeit der 
k. und k. Regierung auf die Tatsache zu lenken, daß Oesterreich-Ungarn und 
Deutschland, besonders letzteres, während der dem gegenwärtigen euro-
	        
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