Auhang in den Vereinigten Staaten von Nordameriks. (Dezember 29.) 1345
schwamm kieloben. Die Leute hielten sich an herunterhängenden Tauen und
dem gekenterten Boot fest. Während der weiteren Annäherung des Untersee-
bootes sah der Kommandant, daß an Bord große Panik herrschte, und daß
er es mit einem Passagierdampfer, nämlich der „Ancona“ aus Genua, zu
tun hatte. Er ließ deshalb den Insassen des Dampfers mehr als die er-
forderliche Zeit, um das Schiff auf den Rettungsbooten zu verlassen. An
Bord waren noch mindestens zehn Rettungsboote, die zur Rettung der noch
an Bord befindlichen Personen mehr als genügt hätten. Eines von diesen
Booten hing vollbesetzt und halb ausgedreht an den Bootskranen. Da aber
im übrigen keine weiteren Anstalten getroffen wurden, die Boote auszusetzen,
beschloß der Kommandant nach' Ablauf von 45 Minuten, das Schiff derart
zu torpedieren, daß es noch längere Zeit über Wasser bleiben mußte, damit
einerseits die Ausbootung beschleunigt würde und anderseits hinreichende
Gelegenheit bliebe, um die noch an Bord befindlichen Menschen zu retten.
Kurz darauf wurde ein Dampfer sichtbar, der mit großer Rauchentwicklung
auf die „Ancona“ zuhielt und anscheinend durch Funkspruch der „Ancona“
herbeigerufen worden war. Da der Unterseebootskommandant mit einem
Angriffe des Dampfers, den er für einen feindlichen Kreuzer hielt, rechnen
mußte, tauchte er, nachdem er um 12 Uhr 35 Minuten nachmittags aus
8300 Meter Entfernung einen Torpedoschuß in den vorderen Laderaum der
„Ancona“ hatte abfeuern lassen. Diese nahm nach dem Schusse eine Krängung
von 10 Grad nach Steuerbord. Dabei wurde versucht, das halbausgedrehte
Rettungsboot vollends auszusetzen. Es riß jedoch ab und fiel ins Wasser.
Das Boot schwamm kielunten weiter, und die Leute hielten sich am Bord-
rand fest. Von den übrigen Booten wurde keines mehr ins Wasser gelassen,
obwohl noch Personen an Bord bemerkbar waren. Der Dampfer richtete
sich allmählich auf geradem Kiel auf und ging so langsam tiefer, daß der
Kommandant des Unterseebootes anfangs bezweifelte, ob der Dampfer ver-
sinken würde. Erst um 1 Uhr 20 Minuten sank er nach längerem parallelem
Tiefertauchen mit dem Bug zuerst. Während dieser weiteren 45 Minuten
hätten alle noch an Bord befindlichen Personen ohne Mühe mit den vor-
handenen Booten gerettet werden können. Aus dem Umstande, daß dies
wider Erwarten nicht geschah, schloß der Kommandant, daß die Mannschaft
wider allen Seemannsbrauch auf den ersten Booten die eigene Rettung
bewerkstelligt und die ihrem Schutze anvertrauten Passagiere sich selbst über-
lassen hatte. Das Wetter war zur Zeit des Vorfalles gut und die See
ruhig, so daß die Rettungsboote ohne Gefahr die nächste Küste hätten er-
reichen können, wie denn auch tatsächlich Rettungsboote nur bei dem un-
sachgemäßen Aussetzen, nicht aber erst nach dem Streichen im Masser zu
Schaden gekommen sind. Der Verlust von Menschenleben ist keineswegs in
erster Linie auf das Sinken des Schiffes zurückzuführen, sondern und aller
Wahrscheinlichkeit nach in viel höherem Maße auf das Hinunterwersen der
ersten Boote in voller Fahrt, sowie darauf, daß die Besatzung, nur auf
sich selbst bedacht, die Passagiere der gekenterten Boote nicht rettete. Wohl
auch auf Geschosse, die das fliehende Schiff trafen; aber auch der Tod der
Personen, die mit dem Dampfer versanken, ist vor allem dem pflichtwidrigen
Verhalten der Mannschaft zuzuschreiben.
Wie aus dem vorangeführten Sachverhalte erhellt, geht die sehr geschätzte
Note vom 9. d. M. in mehreren Punkten von unzutreffenden Voraussetzungen
aus. Unrichtig ist die der Unionsregierung zugekommene Information, daß
auf den Dampfer sogleich ein scharfer Schuß (solid shot towurd the stenmship)
abgegeben wurde; unrichtig, daß das Unterseeboot den Dampfer während
der Verfolgung überholt (overhauled) hat; unrichtig, daß zur Ausbootung
der Personen nur eine kurze Frist (brief period) gewährt wurde. Vielmehr
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