Grebtritannien. (Mai 19.) 767
Der Minister des Innern Mac Kenna sagt, daß bei den deutsch-
feindlichen Ausschreitungen in London 257 Personen, darunter
107 Polizeibeamte, verletzt worden seien. 866 Personen seien verhaftet
worden. Der Umfang des Sachschadens sei noch nicht ermittelt.
Johnson Hicks (Opposition) fragt den Premierminister unter Bezugnahme
auf die deutschen Berichte, ob ein Schlachtkreuzer oder Schlacht-
schiff oder ein anderes Kriegsschiff während der letzten drei Monate ver-
loren gegangen oder vom Feinde zerstört worden sei, außer denjenigen, deren
Namen die Admiralität veröffentlicht habe. Asquith erwidert, die Ad-
miralität habe die deutschen Berichte dementiert. Asquith bezieht sich
übrigens auf seine Erklärung vom 22. April über die Zenfur. Markham (Lib.)
fragt: Darf das Haus nicht wissen, was man auf der Straße weiß? As-
quith antwortet darauf: Wenn man es auf der Straße weiß, weiß das
Haus es auch. Markham wirft ein: Aber nicht offiziell!
19. Mai. (Oberhaus.) Lord Kitchener gibt folgende Uber-
sicht über die Kriegslage und die Munitionsherstellung:
Die französische Offensive südlich von La Bassée weist bereits einen
völligen Erfolg auf und schreitet fort mit allen Anzeichen weiterer völlig
befriedigender Resultate. Die britische Offensive gegen die Kuppe von Aubers,
die planmäßig vor sich geht, wird hoffentlich bedeutende Ergebnisse erzielen.
Die Russen halten nach einem verzweifelten Widerstande gegen den öster-
reichisch--ungarischen und deutschen Vormarsch jetzt eine starke Linie von
den Ostkarpathen bis zur Weichsel mit Przemysl als Hauptbollwerk. Die
Fortschritte der Truppen auf der Halbinsel Gallipoli sind wegen der großen
Geländeschwierigkeiten natürlich langsame, aber die Türken werden all-
mählich aus ihren sehr starken Stellungen hinausgeworfen, und obwohl der
Feind beständig Verstärkungen heranzieht, sind die Nachrichten durchaus
befriedigend. Die Besetzung Windhuks hat den letzten Abschnitt des süd-
afrikanischen Feldzuges eröffnet. Mesopotamien wird allmählich von allen
feindlichen Streitkräften gesäubert. Die Herstellung von Munition hat
zweisellos eine beträchtliche Verzögerung erfahren infolge der beispiellosen,
fast unbegrenzten Anforderungen, die an die Hilfsquellen und an die In-
dustriellen gestellt werden. Seitdem sind sehr erhebliche Fortschritte in der
Herstellung gemacht worden. Die Herstellung hochexplosiver Granaten für
die Feldgeschütze wurde bei Anfang des Krieges vorbereitet, und obwohl
die Neuartigkeit der Kriegsmunition natürlich Verzögerungen und Schwierig-
keiten für die Industriellen mit sich brachte, werden wir in sehr naher
Zukunft in einer befriedigenden Lage betreffs der Lieferung der Geschosse
an unsere Armee in der Front sein. Bei unseren jüngsten offensiven
Operationen erlitten unsere Truppen und die französischen schwere Verluste,
aber die Aufgabe der Armeen erheischte große Opfer. Der Geist und die
Moral der Truppen waren nie höher.
19. Mai. Premierminister Abquith hält bei einer in der Guild-
hall in London abgehaltenen Versammlung, die einberufen wurde,
um den Dominions, Indien und den Protektoraten für ihre Kriegs-
hilfe den Dank auszusprechen, eine Rede, in der er sagt:
Während London beinahe das Donnern der Kanonen hören könne,
seien die Dominions weit vom Kriegsschauplatz entfernt und hätten wenig
Angst vor einer Invasion. Die Frage läge nahe, warum sie trotzdem ihrem
Mutterlande so zugetan seien, eine solche Opferwilligkeit und Hingabe an den
Tag legten und bereit seien, willig Beschwerden auf sich zu nehmen, ja selbst
Europäischer Geschichtskalender. LVI. 49