Auhans: Biplematische Euthüllungen. 1397
blicken, die von der Krone berufenen Leiter der Reichsgeschäfte ihrem
Willen zu unterwerfen. Ich vertraue darauf, daß Ew. Exz. als alter
Soldat sowohl den Gesichtspunkt der Disziplin als meine, durch die Zeit
gebotene offene Sprache verstehen und das Ihre dazu beitragen werden,
den Stolz und die Freude des Volkes über den Siegespreis, den es er-
kämpfen wird, nicht zu beeinträchtigen.
Einer Publikation dieses Briefwechsels durch den A. V. steht nichts
entgegen. Ich behalte mir eine solche meinerseits für eine mir passend
erscheinende Gelegenheit vor.
In vorzüglicher Hochachtung Eurer Exzellenz ergebener
gez. Dr. v. Bethmann Hollweg.
(Dieser Briefwechsel ist veröffentlicht im „Vorwärts“ vom 22. Mai 1917.)
Frhr. v. Gebsattel erwidert darauf:
Bamberg, den 20. Mai 1915.
An Seine Exzellenz den Reichskanzler
Herrn Dr. von Bethmann Hollweg Berlin.
Ew. Exz. Schreiben vom 13. lfd. Mts. habe ich erhalten. Ich setze
mich über die darin enthaltenen scharfen, mir gegenüber sicherlich nicht
berechtigten Ausdrücke weg, weil sich Ew. Exz. auf meine militärische
Disziplin uud die „durch die Zeit gebotene offene Sprache“ berufen, und
antworte darauf als der treueste Diener S. M. meines Königs und des
Deutschen Kaisers, so wie ich diese Treue verstehe: nämlich im Sinne des
Wortes des Fürsten Bismarck, daß der Deutsche Gott fürchtet und soust nichts
auf der Welt, und im Sinne der Treue des altdeutschen Vasallen, der jeder-
zeit bereit ist, sein Leben für seinen König hinzugeben, dabei sich aber
seiner Pflicht bewußt bleibt, die Wahrheit zu sagen, auch wo sie nicht
gerne gehört wird. In diesem Sinne glaube ich schuldig zu sein, einige
tatsächliche Irrtümer aufzuklären — ohne jede persönliche Schärfe, die
mir nicht nur übel angebracht erscheint bei jeder politischen Meinungs-
verschiedenheit, sondern auch besonders mit Bezug auf die Hochachtung,
die ich Ew. Exz. Persönlichkeit entgegenbringe.
Ich beginne mit der Bitte, das von mir persönlich stammende
Begleitschreiben und die im Auftrage des A. V. übersandte Eingabe
über die politischen Kriegsziele auseinander zu halten. Für das Begleit-
schreiben trage ich allein die Verantwortung. Damit fällt wohl auch die
Unterstellung weg, die aus dem Schlußsatz des zweiten Absatzes von
Ew. Exz. Schreiben hervorgeht, daß der A. V. den Anspruch erhebt, allein
über die Notwendigkeiten des deutschen Volkes Richter zu sein.
Ew. Exz. wollen im Bezug auf die von mir im Namen vieler treu-
monarchischen Kreise ausgesprochene Befürchtung, eine Enttäuschung des
Volkes durch ein den Volksbedürfnissen nicht genügendes Kriegsergebnis
möge bis zur Revolution führen, nur zwei Möglichkeiten zugeben: „Wenn
diese Stimmung wahr sei, treffe die Verantwortung jene, die die Stim-
mung durch Mangel an politischem Urteil und nationaler Disziplin usw.
geschürt haben“ oder „die Behauptung sei falsch und dann sei sie eine
Drohung und der Versuch einer Minderheit, um die von der Krone be-
rufenen Leiter der Reichsgeschäfte ihrem Willen zu unterwerfen". An
beide Möglichkeiten hätte mir gegenüber nicht gedacht werden dürfen und
ich weise sie weit von mir. Ew. Exz. befinden sich in einem gefähr-
lichen, ja geradezu verhängnisvollen Irrtum und übersehen die der
Wirklichkeit entsprechende dritte Möglichkeit: die von mir erwähnte Stim-
mung ist vorbereitet durch den vollkommenen Zusammenbruch der deutschen
Politik gegenüber England und Rußland im Sommer 1914, und würde
mit elementarer Gewalt hervorbrechen, wenn der Friede trotz gegebener