Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

1398 Anhang: Diplomatise Enthüllunzen. 
Möglichkeit angesichts der ungeheuren Opfer enttäuschen würde. Ich bine 
Ew. Exz. dringend, diese Ansicht nicht als die eines einzelnen beiseite zu 
schieben. Diese Ansicht wurde mir gegenüber vertreten, und zum großen 
Teil ohne daß ich Veranlassung dazu gegeben hätte, von zahllreichen 
ruhigen, überlegten, königstreuen Männern aller monarchischen Parreien. 
Angehörigen der konservativen, nationalliberalen und Zentrumspartetn: 
ebenso auch von den Vertretern aller möglichen Stände und Berufe: 
von Großgrundbesitzern, großen Industriellen, von hohen und höchsten 
Beamten und Richtern, von Universitätsprofessoren und Gelehrten bis zu 
Leuten aus dem einfachen Volke; die wenigsten dieser Leute gehören dem 
A. V. an, und von vielen wird diese Gefahr noch viel höher eingeschäßt 
als von mir. 
Wenn Ew. Exz. das eben Gesagte in Ueberlegung ziehen wollen, dann 
wird auch der Vorwurf wegfallen müssen, über den „ins Groteske ge- 
steigerten Mangel an politischer Einsicht in den Kreisen des A. B.“, den 
Ew. Exz. aus meinem Schreiben entnehmen zu dürfen glauben, und der 
recht sonderbar anmutet angesichts des nunmehr für die Gesamtheit offen- 
kundig gewordenen Ergebnisses der amtlichen äußeren Politik des Reiches, 
das, wie ich zu bemerken die Ehre hatte, einen Zusammenbruch ohne- 
gleichen bedeutet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nochmals hervorheben, 
daß seit Beginn des Krieges die einzige Kundgebung, für die der A. B. 
als Körperschaft die Verantwortung trägt, die Eingabe über die „For- 
derungen zum Kriegsziel“ ist, die ich Ew. Exz. zu übersenden die Ehre 
hatte. Der A. V. als solcher kann also allein hierfür verantwortlich ge- 
macht werden. Weil ich aus Ew. Exz. Schreiben zu meinem Schmerze 
ersehe, wie schroff ablehnend Sie dem A. V. und seiner bisherigen 
Tätigkeit gegenüberstehen, so will ich — der Pflicht zur vollen Offen= 
heit genügend — bekennen, daß ich darin eine Ungerechtigkeit erblicke. 
die ich mir nur aus dem Mangel an hinreichender Kenntnis über die 
wirklichen Bestrebungen des A. V. und seiner führenden Persönlichkeiten. 
sowie über die wirkliche Art seiner bisherigen Betätigung erklären kann. 
Ich glaube für mich in Anspruch nehmen zu dürfen, daß ich dieser völki- 
schen Körperschaft in voller Sachlichkeit und Unbefangenheit gegenüber- 
stehe, denn ich bin nicht mit ihr groß geworden! Vor knapp zwei Jahren 
wurde ich durch Zufall mit einem führenden Manne dieses Verbandes be- 
kannt. Dadurch veranlaßt, nachdem ich ihm vorher skeptisch bezw. ab- 
lehnend gegenübergestanden hatte, unterrichtete ich mich eingehend über die 
frühere Tätigkeit und die früheren Veröffentlichungen des Verbandes und 
erkannte, daß ich mir auf Grund der Berichte und Veröffentlichungen der 
zahlreichen, aus allen Lagern stammenden Gegner der vom Verband ver- 
langten entschlossenen nationalen Politik ein falsches Urteil gebildet hatee. 
So habe ich mich entschlossen, dem A. V. beizutreten, nicht als jugend- 
licher Stürmer, sondern im vorgerückten Lebensalter, nach Abschluß einer 
Laufbahn, die mir Einblick in die Möglichkeiten des Lebens verschafft 
hatte. Ich habe diesen Entschluß nie bereut; ich fand Männer, die selbft- 
los und ohne Rücksicht auf das eigene Wohl für das Wohl des Vater- 
landes arbeiten, die über die nötigen Kenntnisse auf allen Wissensgebieten 
und über die praktischen Erfahrungen verfügen, und denen vor allem die 
zu gedeihlicher politischer Arbeit erforderlichen Eigenschaften des Charakters 
nicht fehlen. So habe ich mich entschlossen, das mir angetragene Amt als 
stellv. Vorsitzender zu übernehmen, und ich glaube, damit der völkischen 
Sache einen Dienst erwiesen zu haben. Von Ew. Exz. aber habe ich noch 
heute die Ueberzeugung, daß Sie nicht willens sind, beachtliche Kräfte 
unseres öffentlichen Lebens nicht nur ungenützt zu lassen, sondern geradezu
	        
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