Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

Gresibrilannien. (Juni 24.) 781 
sichten persönlicher Natur und durch Parteiinteressen beeinflußt worden sind, 
so glaube ich, daß unsere Landsleute innerhalb und außerhalb des Parla- 
ments ihr Bestes tun werden, um uns zu unterstützen. Aber die Verant- 
wortung ruht nicht allein auf der Regierung, sondern auf der ganzen 
Nation. Wir bekämpfen einen Feind, der nicht nur in seiner Regierung, 
sondern in Vorbereitungen, die den Krieg erzwangen, zeigte, daß er keinen 
Skrupel, kein Prinzip und keine Moral außer dem Erfolge kennt. Aber 
die Bekämpfung des Feindes zeigt zugleich, daß er Mut und Fähigkeiten 
besitnt, die ihm in einer besseren Sache die Bewunderung der Welt ge- 
winnen würden. Seine Stärke beruht nicht allein auf der Vollkommenheit 
der militärischen Maschinerie, sondern auf der Organisation der ganzen 
Nation. Auch die britische Nation muß dem einzigen Ziele leben, den Krieg 
zmu beenden. Ueber die nationale Organisation ist viel geredet und ge- 
schrieben worden. Der Gedanke scheint also zu sein, daß ein personifizierter 
Staat diesem Mann und jener Frau auf die Schulter klopfen und sagen 
soll: „Das ist deine Arbeit, das hast du zu tun!“ Der Gedanke ist sehr 
anziehend, wenn auch nicht leicht auszuführen. Diejenige Organisation 
wird Erfolg haben, die möglichst wenig in unsere Lebensgewohnheiten ein- 
greift, aber da eingreift, wo es notwendig ist. Sie wird nur Erfolg haben, 
wenn sie nicht nur der Mehrheit der Nation als Ganzem, sondern auch 
der Mehrheit der davon betroffenen Klassen als richtig und gerecht erscheint. 
24. Juni. (Unterhaus.) Munitionsminister Lloyd George 
bringt eine Gesetzesvorlage betr. die Beschleunigung und Ver- 
mehrung der Herstellung von Munition ein. Neue Verleum- 
dungen Deutschlands. 
Lloyd George erklärt bei Einbringung der Gesetzesvorlage, daß 
die Verbündeten jeden Fortschritt auf irgendeinem Punkte der Front noch 
steis ihrer Ueberlegenheit an Munition zu verdanken hatten. Die Verbün- 
deten besäßen bereits die Ueberlegenheit an Mannschaften, der Zahl wie 
der Qualität nach. Es sei ihm gesagt worden, daß die Zentralmächte täglich 
250000 Granaten herstellen. Die Verbündeten könnten diese Produktion 
nicht nur erreichen, sondern sogar überschreiten, wenn sie sich ernstlich darauf 
verlegen. Lloyd George erinnert sodann an seine letzte Unterredung mit 
dem französischen Unterstaatssekretär Thomas und rühmt dessen organi- 
satorische Fähigkeiten. Es habe ihn beruhigt, als er sah, was Frankreich 
leiste und was England leisten könne, wenn es sich Frankreich zum Beispiel 
nehme. Wenn wir in den nächsten Monaten ebensoviel wie die französischen 
Betriebe herstellen könnten, so werden die Verbündeten den Zentralmächten 
auf diesem Gebiet nicht allein gewachsen sein, sondern sie werden sogar 
eine erdrückende Ueberlegenheit über den Feind besitzen, ein wesentlicher 
Faktor des Sieges. Die Deutschen hätten die Dauer des Krieges zweifellos 
so berechnet, wie es sonst niemand getan habe. Sie hätten eingesehen, daß 
es ein großer Schützengrabenkrieg sein werde, und sie hätten sich dem- 
entsprechend eingerichtet. Die Verbündeten hätten bis jetzt geglaubt, daß der 
Sieg ihnen gehöre als ein Tribut des Schicksals. Das Problem sei aber 
gerade, daß sie selber den Sieg vorbereiten müßten und nicht glauben dürften, 
er werde ihnen ohne Anstrengung zufallen. Um zum Ziele zu kommen, 
müßten alle chemischen und metallurgischen Hilfsquellen des britischen Reiches 
organisiert werden. Sei dieses geschehen, so werde die Produktion Frank- 
reichs und die englische die gesamte deutsche Produktion übersteigen. 
Der Minister kritisierte sodann das frühere System, wonach Fabriken, 
die mit der Regierung Verträge hatten, Nebenverträge eingehen konnten,
	        
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