Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einunddreißigster Jahrgang. 1915. Zweite Hälfte. (56b)

782 Greßbritannien. (Juni 24.) 
auf die die Regierung keinen Einfluß besaß. Seit der Einführung des 
neuen Systems sei die monatliche Produktion für eine einzige Stadt von 
150000 auf 250000 Granaten gebracht worden. Aehnliche Maßnahmen 
würden auch für London getroffen werden, das vollständig zu einem zweiten 
Woolwich werden könne. Er habe beschlossen, das Land in zehn Industrie- 
gebieten zu organisieren und diese der Verwaltung einer aus geschäfts- 
tüchtigen Leuten jener Gegenden bestehenden Kommission zu unterstellen. 
Wegen der Rohmaterialien dürfte es vielleicht notwendig sein, daß sich die 
Regierung die Kontrolle des Metallmarktes sichere, da man in gewissen 
Kreisen Metallvorräte zurückbehalte in der Hoffnung auf eine Hausse, was 
erhebliche Verspätungen im Gefolge hätte. Das müsse aufhören. In den 
nächstfolgenden drei Monaten müssen folgende Punkte becachtet werden: 
1. Kein Ermatten in der Arbeit, 2. für die Dauer des Krieges Einstellung 
der gewerkschaftlichen Beschränkungen mit dem Versprechen an das Volk, 
daß sie nach dem Kriege wiederhergestellt werden, 3. Verbot an die Arbeit- 
geber, die Arbeiter unwillig zu machen, 4. keine Aussperrungen und Streiks 
der zurzeit mit der Munitionserzeugung beschäftigten Arbeiter. Die Docker 
hätten die letzte Klausel bereits angenommen. Die Zusammenarbeit Frank- 
reichs und Englands begünstige die intensive Erhöhung der Munitions- 
erzeugung. 
Der Schluß der Rede des Ministers lautet: Deutschland hatte sich 
zweifellos auf den Krieg vorbereitet. Es hatte Kriegsmaterial angehäuft. 
Bis es fertig war, stand es mit jedermann auf dem besten Fuß. Wir alle 
erinnern uns der großen Balkankrisis. Nichts konnte freundlicher sein als 
die Haltung Deutschlands, nichts konnte nachgiebiger, bescheidener und an- 
spruchsloser sein. Es hieß immer: „Nach Ihnen“. Deutschland drängte sich 
gar nicht vor. Es hatte ein freundliches Lächeln für Frankreich, es behan- 
delte Rußland als Freund und Bruder, es glättete alle Empfindlichkeiten 
Oesterreichs und es spazierte Arm in Arm mit England durch die Kanzleien 
Europas. Wir dachten wirklich, daß endlich die Aera des Friedens und 
Einvernehmens aufsgegangen sei. Gerade in diesem Moment aber verfertigte 
und kaufte Deutschland heimlich ungeheure Vorräte von Kriegsmaterial, 
um seine Nachbarn im Schlaf zu überfallen und zu ermorden. Wenn ein 
solches Ränkespiel unter den Nationen Erfolg hat, wird die ganze Basis, 
auf der sich internationale Einvernehmen aufbauen, in den Staub sinken. 
Es liegt im Interesse des Weltfriedens, daß dies nicht geschieht. (Lauter 
Beifall.)") 
Nach Lloyd George sagt der Liberale Pringle: Die Rede des Llond 
George war in sich ausgezeichnet, nur nicht als eine Exposition der ein- 
gebrachten Bill. Der Redner wünscht zu wissen, ob Lloyd George es 
versehentlich unterlassen habe, zu erwähnen, daß die Gewerkschaften als 
weitere Bedingung ihrer Annahme des obligatorischen Schiedsgerichts Höchst- 
preise für alle Lebensbedürfnisse forderten. Das Haus solle eine defini- 
tive Erklärung der Regierung erhalten, welche Zugeständnisse die Gewerk- 
schaftsführer gemacht hätten für den Fall, daß sie nicht imstande wären, 
binnen sieben Tagen die freiwillige „Munitionsarmee“ anzuwerben. Der 
Redner fragt, ob die Bill bedeute, daß das Freiwilligensystem verurteilt 
und das Urteil nur sieben Tage aufgeschoben sei. Wegdewood (lib.), der 
den Feld zug mitgemacht hat, bemerkt, jedes Maschinengewehr sei einer Kom- 
pagnie gleichwertig. — Cave (Unionist) sagt, die Regierung habe kein 
Recht, sich gegen die Annahme des Staatszwanges zu verpflichten. — Sir 
*) Siehe die Zurückweisung dieser Verleumdung Deutschlands durch 
das Wolff'sche Telegr. Büro „Deutsches Reich“, 29. Juni, oben S. 268.
	        
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