Ersbbritannien. (Juni 25.—28.) 733
Arthur Markham (lib.) kritisiert Kitchener. Kitcheners Hauptfehler sei ge-
wesen, daß er die ganze Arbeit des Kriegsamtes in seinen Händen vereinigen
wollte und mit einigen außer Dienst gestellten Offizieren eine Armee von
drei Millionen organisieren wollte. Das Verhalten des Kriegsamtes in den
ersten neun Kriegemonaten sei eine Schmach gewesen. Lloyd George gab
die völlige Unfähigkeit des Kriegsamtes zu, das Munitionsproblem zu lösen.
Und wie verhielt es sich mit der Rede von Asquith in New Castle?
Asquiths Erklärung, daß die Tätigkeit der Armee nicht durch Mangel
an Munition gehemmt sei, rief einen Sturm der Entrüstung bei allen
bervor, die an der Front standen, und bei ihren Freunden. Die Verheim-
lichung der Wahrheit war nur Kitcheners Fehler. Die Harmsworthpresse
hatte mit ihren Behauptungen über den Munitionsmangel ganz recht. Es
gibt viele Laternenpfähle in Whitehall, ich will nicht sagen, wer verdienen
würde, daran aufgehängt zu werden. Selbst hier im Hause soll es viele
geben, die gerne einige, die das Hängen verdient hätten, an den Beinen
ziehen würden. Die Zentralisation des Kriegsamtes mußte mit einem Miß.-
erfolg enden. Kitchener war nicht damit zufrieden, eine Armee zu schaffen,
wofür er Dank verdient, und verschiedene Kleinigkeiten zu erledigen, sondern
er übernahm auch die Pressezenfur und die Behandlung feindlicher Aus-
länder. Der Redner warnt die Regierung davor, Presse und Parlament
mundtot zu machen. Das Parlament sei nie so geknebelt gewesen, wie unter
der letzten Regierung.
Hauptmann Guest (lib.), der den Feldzug in Flandern mitgemackt
hat, sagt, an der Front werde man mit einem Gefühl der Erleichterung
vernehmen, daß die Munitionsfrage endlich in Fluß komme. Redner tritt
für sofortige Einführung des Staatszwanges ein.
Asquith erwidert, dieser Gegenstand stehe nicht auf der Tagesordnung.
Es sei nicht zeitgemäß, diese Frage zu erörtern, da sie einen Meinungs-
streit hervorrufen würde. Es wäre höchst bedauerlich, wenn bei Einbrin-
gung der Munitionsbill ein Mißton laut würde, der außerhalb den Eindruck
erwecken könne, daß das Haus nicht einig sei.
25. Juni. Die Regierung hat an die Vereinigten Staaten in
der Konterbandefrage eine Denkschrift gerichtet.
Sie enthält zwar nicht eine Antwort auf die Note der Vereinigten
Staaten, legt aber Maßregeln dar, die von England ergriffen worden seien,
um die Schwierigkeiten, die der neutrale Handel infolge der Aktion Englands
gegen den feindlichen Handel erfährt, soviel als möglich zu lindern. Jus-
besondere werden die Konzessionen aufgezählt, die Amerika zugestanden werden.
26. Juni. Verkündigung des Gesetzes über die Regulierung
der Ausfuhr nach den Niederlanden (s. oben unterm 22. Juni).
Durch eine Bekanntmachung in der „London Gazetta“ wird die Aus-
fuhr aller Artikel nach den Niederlanden verboten, außer wenn sie an den
Overzeetrust oder bei einigen Gütern an eine einzelne Person konsigniert
sind, die eine besondere Erlaubnis erhalten hat.
28. Juni. Der von Newport News eintreffende englische Post-
dampfer „Armenian“" wird an der Küste von Cornwall torpediert.
Das Reuterbüro meldet, daß, als das UC-Boot bei den Scilly-Inseln
gesichtet wurde, die „Armeman“ zu entkommen gesucht habe, aber ein-
geholt worden sei. Unter der Bemannung des Schiffes sollen sich 11 Ameri-
kaner befunden haben. Ein deutsches U.Boot kommt nicht in Betracht.
Europöischer Geschichtskalender. LVI. 50